Snowboard und mehr...

Wie so oft bekam ich heute Früh Informationen (über einen Fahrgast) die ich nicht brauchte und diese so schnell, wie ich sie gar nicht wollte. Kompliziert? Nein, gar nicht.

Es war 6.55 Uhr, als ich vor dem schönen alten Haus mit dem genauso schönen alten Garten im schicken Nobel-Ort Aumühle vorfuhr. Die Vögel zwitscherten schon kräftig und so entschloß ich mich, diese "Musik" nicht zu stören und stellte den Motor ab. Erfahrungsgemäß lassen Kunden dieser Einkommensschicht das Taxi gerne mal warten, während sie - gut erkennbar - in der Küche noch einen Kaffee zu sich nehmen. Dieses Mal war es aber anders und um 6.58 Uhr kam er federnden Schrittes und mit einem Koffer und einem langen, verpackten Etwas unter dem Arm den Weg zur Straße entlang. Der Taxifahrer-Scanner lief: Typ "jungdynamischer Unternehmensberater", betont sportlich, markant geschnittenes Gesicht.

Der Koffer landete im dafür vorgesehenen Gepäckabteil, nur das lange Etwas passte nicht hinein. Also nahmen wir alternativ den Rücksitz.

  • "..Ist´n Snowboard..!"


meinte er und beantwortete meine gar nicht gestellte Frage. Aber darauf legte er wohl sowieso keinen Wert. Er gab in den folgenden Minuten noch mehr Antworten. So zum Beispiel wusste ich, noch bevor wir den Ort verließen, daß

  1. mein Fahrgast zum arbeiten und snowboarden fuhr

  2. und er einen Mercedes E-Klasse neuester Baureihe besitzt


Gut. Die Duftmarken waren gesetzt. Nun wusste ich, mit wem ich die nächsten  Minuten verbringen durfte! Danke. Ich war beeindruckt.

Noch ein oberflächlicher Satz über das Wetter und dann machte er die Augen zu. Zufrieden mit sich und der Welt. Ich fand ihn gar nicht unsympathisch, nur eben ein wenig zu sehr von sich überzeugt. Natürlich hatte ich es nicht nötig, aber ich konterte auf meine Art: die Tour dauerte ganze 35 Minuten! Das war rekordverdächtig, aber ich nahm einen sonst nicht so oft gefahrenen Weg zum Flughafen. Mein Snowboarder war sichtlich erstaunt. Ich jedoch auch, als er mir sein Trinkgeld nannte und ich meine Leistung mit dem gezahlten Obulus verglich. Na ja...

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Wir leben in unserem Job ja nicht nur vom Geld, sondern auch von der Abwechslung. Diese zeigt sich in verschiedensten Formen: kein Tag bringt die gleichen Ziele, genauso wenig wie immer die gleichen Menschen um einen herum, bzw. neben einem sitzen.

Den Snowboard-Boy hatte ich schon in meinem Gedächtnis ganz hinten abgelegt, als ein älterer Herr - ohne Board - mir schon kurz nach dem Einsteigen die Geschichte von seinem eitrigen Zeh (!) lang und breit erzählte. Er ließ sich noch nicht einmal von meinem klingelnden Handy ablenken. Erst als ich ihm Zeichen gab, ich müsse mal telefonieren, stockten seine Schilderungen. Kaum war das Gespräch beendet, setzte er wieder ein und ich musste mir den Rest der Story auch anhöhren. Details veröffentliche ich hier lieber nicht...--((

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Nach soviel Selbstdarstellung sorgte das Schicksal auch für ein Kontrastprogramm. Ein Kunde ließ sich an einem großen Autohaus abholen.

  • "Moin!"

  • "Moin"

  • "Wo darf ich sie hinbringen?"

  • "Boberg" (Hamburger Stadteil, nahe Reinbek / Anm. d.Verf.)


Das ist in etwas so genau, als wenn man eine Bibliothekarin fragt, wo ein bestimmtes Buch steht und sie deutet einfach in den Raum hinein... Ich nahm mir vor abzuwarten, vielleicht kommen ja noch mehr heiße Tipps, wohin er möchte. Während der Fahrt wurde nicht gesprochen. "Mr. Boberg" starrte nach rechts auf die Büsche, die am Straßenrand standen. Vielleicht ist er ja Hobby-Gärtner? Kurz vor eine entscheidenden Kreuzung der nächste Hinweis.

  • "Rechts."


O.k., ich bin geduldig.

  • "..und dann bei der Autovermietung "Enterprise" vor die Tür..!"


Ja, Captain Kirk. Wäre mir dieses Ziel gleich genannt worden, hätte ich einen etwas anderen Weg eingeschlagen. Aber es war sein Wunsch gewesen, den Reinbeker Redder zu nehmen, also fuhren wir so, wie er es wollte.

Captain Kirk beamte sich zwar mundfaul aus dem Auto, aber nicht, ohne ein vielsagendes Trinkgeld liegen zu lassen. Na dann, Energie! - und zurück zur "Basis"..--))

Kommentare

  1. hi Marco,

    wusste nicht dass du während der fahrt mit fahrgästen telefonierst???

    ich vermeide dass egal wie wichtig ist und wenn schon dann reduziere ich das in 20 sec gespräch....ich finde telefonieren während ich fahre mit fahrgästen schrecklich...

    grüss Bernard

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  2. Wenn mein Telefon klingelt, muß ich zumindest ´ran gehen und den Anrufer auf später vertrösten. In diesem Fall war es jedoch unsere Zentrale. Mit der Kollegin spreche ich natürlich auch, wenn ein Fahrgast im Auto sitzt.

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  3. finde ich ebenfalls...

    und mache es trotzdem, ist ja meist ein neuer Auftrag von einem vielversprechenden Stammkunden, auch wenn die aktuellen Gäste sich häufig verpflichtet sehen unbedingt ihren Senf dazugeben zu müssen und den Typen am Telefon - über die Freisprechung eben - vollzuquatschen.

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  4. Den Herrn mit dem eitrigen Zeh hätte ich gern als Gesprächspartner gehabt. Ich hätte ihm im Gegenzug etwas über meine blutenden Hämorrhoiden erzählt und wir wären beide glücklich gewesen!

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  5. viel schlimmer ist es aber was ich oft sehe unterwegs, die taxifahrer die auf ihre fremdsprache reden während der fahrt....kann ich mir vorstellen für die fahrgäste ist es ein horror...

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  6. hallo bernhard,
    ich weiß nicht ob es so schlimm für den Fahrgast ist die Fremdsprache der Taxifahrer zu hören. Schlimmer wäre sicher, wenn sie deinen Schreibstil lesen müssten.

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