Chrom und Leder

Genau so hatte ich mir den Sonntag vorgestellt. Ein gute Mischung aus sonderbaren und "normalen" Fahrgästen.

Kurz nach 6 Uhr morgens sollte ich bereits "für sofort" zu einer Adresse nahe des Reinbeker Schlosses. "Für sofort" heißt übersetzt: es ist eilig! Die gut 800 m legte ich zügig zurück, fand die Hausnummer schnell und war überrascht, daß der Kunde noch nicht draußen stand. Na, so eilig konnte es dann wohl doch nicht sein?!

Ich wartete 5 Minuten. Da mir keine Information vorlag, daß ich NICHT klingeln darf, suchte ich den Eingang, sah dahinter Licht - und drückte auf´s Knöpfchen. Ein leises "..Dingdong.." war zu hören, dann wieder Stille. Unerwartet ging neben der Eingangstür ein Fenster auf. Ein Mann, der aussah, als hätte er eben noch in einer Moschee gepredigt, tauchte darin auf. Langer "Taliban-Bart" (nein, ich entschuldige mich nicht für den Begriff!), dafür wenige, aber lange Haare auf dem Kopf, Schiesser-Feinripp Unterhemd.

Er schüttelte den Kopf.

  • "Das geht ja wohl gaaar nicht, daß Sie hier klingeln. Meine Familie schläft noch.."


Ich entschuldigte mich mit den Worten, daß mir ein "Klingelverbot" nicht bekannt gewesen sei und ich auch schon mehr als 5 Minuten auf ihn wartete.

Er hörte gar nicht zu, hatte ich das Gefühl. Das Fenster schloß sich und ich ging zum Auto zurück. Ein paar Minuten später kam er, immer noch mit vorwurfsvollen Gesicht, heraus.

Im Auto entwickelte sich eine Diskussion über mein Verhalten und über das meiner Funkerin, die er, kaum war ich wieder beim Auto, angerufen hatte. Er schimpfte wie ein Rohrspatz, beleidigte die Kollegin in Abwesenheit und war kaum zu bremsen. So gut es ging verteidigte ich unsere Frühschicht, aber das ging unter. Er fiel dann verbal nochmals über mich her, dann riß mir der Geduldsfaden. Er bekam von mir ein paar deutliche Worte über SEIN Verhalten und meiner Kollegin gegenüber zu hören, was ihn von seiner Stimmung ein wenig herunter holte.

So einen Start in den Tag mag ich ja besonders..--((. Den Clou brachte er dann, als wir schon gut 5 Minuten unterwegs waren.



  • "Äh, ja, also mir ist wichtig, daß wir um 6.40 Uhr am Bahnhof sind."


Die aktuelle Uhrzeit sprach dagegen. Es war schon 6.20 Uhr und selbst bei sehr zügiger Fahrweise war es Utopie, das zu schaffen.



  • "Ich werde mir Mühe geben."


Natürlich waren wir ein paar Minuten später dort. Ein wenig überrascht war ich dann doch, als er sich für seinen "..Fehlstart.." entschuldigte! Immerhin.


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Wie schnell man in diesem Job in den Himmel erhoben wird, bekam ich am späten Vormittag zu hören. Eine alten Dame, bereits 88, ließ sich von mir zur Kirche nach Bergedorf fahren. Dort war aber zeitgleich das "Stadtfest", wohl eine romantische Erinnerung an die Zeit, als dieser Stadtteil noch eigenständig war.. Wegen des Stadtfestes konnte ich Frau C. nicht direkt vor´s Portal fahren. Das Wetter war allerdings schön und so legte sie die restlichen 200 Meter zu Fuß zurück.

Gut 2 Stunden später wollte Frau C. auch wieder nach Hause. Ich übernahm die Tour, weil ich ja wusste, wo sie ausgestiegen war. Leider hatten wir uns nicht verabredet, daher wartete ich erst einmal umsonst. Bis eine andere Frau auf mich zukam und fragte, ob ich denn auf "..eine alte Dame.." warten würde? Sie stünde um die Ecke vor der Kirche und wäre schon besorgt, daß ich nicht käme.

Nun verhinderte ja das Stadtfest eine Anfahrt auf die Kirche auf diesem Weg. Ich musste - und das ziemlich flott - mehrere Häuserblocks mit dem Auto umrunden und schlich mich an ein paar Marktständen vorbei auf die Kirche und eben auf Frau C. zu. Sie war glücklich und selig, als sie mich erkannte.



  • "Oh, Sie haben mich gefunden. Wie schööön..!"


Klar, ich lasse doch keine Omi irgendwo stehen! Sie konnte sich während der gesamten Fahrt nicht so richtig beruhigen, so froh war sie. Beim Aussteigen bekam ich dann das netteste Kompliment:




  • "Sie sind heute mein E-n-g-e-l, den der Himmel mir geschickt hat..!!"


Hmm.. Hat mein Chef noch nie zu mir gesagt.


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Was fehlt? Richtig! Das Sahnehäubchen! Und das kam gestern in folgender Form daher:



  • Schwarz

  • Alu, Stahl, Chrom und Ledersitze

  • 4,2 Liter V8 Motor mit 314 PS

  • Holzlenkrad, Navi, Fernsehen, etc.


Kurz: in Form eines Mercedes 420 CDi. Ein Traum für einen Mercedes-Fan wie mich. Natürlich kam das Gefährt nicht zu mir, sondern umgekehrt.

Eine gute Kundin unserer Firma, Frau G. aus W., lässt es sich manchmal einfallen, ihre Gäste aus Hamburg mit dem eigenen Wagen kommen zu lassen. Dazu ruft sie bei uns an, bestellt ein Fahrer, der mir ihrer S-Klasse das übernimmt, während sie Zuhause wartet.

Gestern "traf" es mich. Ich holte das "Baby" ab, fuhr nach Hamburg an die schöne Außenalster und lud 2 Gäste von Frau G. ein und bei ihr wieder aus. Auf der Hinfahrt (allein) nutzte ich die Autobahn, rollte - brav - mit 90 km/h am Kreuz Ost vorbei und als ich am Schild "120 km/h" vorbei fuhr, konnte ich mich nicht mehr beherrschen.

Mein Fuß drückte das rechte Pedal hinunter (nicht bis Anschlag, nein) und mein Mundwinkel wurden leicht nach hinten gezogen. DAS nennt man Beschleunigung! Wow. Leider war der Spaß nach 3 km auch schon wieder vorbei.


Trotzdem. Ein so edles Fahren ist einem nicht oft vergönnt. Da machte es auch nichts, daß ich ihr Gäste zu einer Zeit wieder nach Hause fahren sollte, zu der ich eigentlich schon Feierabend haben sollte / wollte. Aber diesen Spaß wollte ich mir dann nochmals gönnen..--))



[caption id="attachment_710" align="aligncenter" width="300" caption="Mercedes S-Klasse"][/caption]

Kommentare

  1. Einen schnellen Mercedes zu haben, ist mehr als ober cool. Noch cooler aber sind, dankbare, ältere Menschen. Beides ist vergänglich und beides rostet.

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