Zeitnot

Eigentlich fing es harmlos an.

Ich erhielt den Auftrag, um 7.45 Uhr Fahrgäste zum Flughafen zu bringen und dort im Anschluß einen Geschäftskunden aufnehmen und ins östlich von Hamburg gelegene Trittau zu fahren. Der Zeitrahmen erschien mir knapp, aber es machte ja keinen Sinn, wegen ein paar Minuten Überschneidung einen zweiten Wagen nach Fuhlsbüttel fahren zu lassen.
Pünktlich um 7.40 Uhr stand ich vor dem Haus der Kunden. Sie kamen auch gleich und brachten 2 große Koffer mit. Wurde knapp, aber es ging gerade so alles in den Kofferraum.

  • "Hoffentlich bekommen wir die Taschen der beiden anderen auch noch hinein...?!"
  • "Andere? 
  • "Ja, wir wollen doch unsere Freunde auch noch aufgabeln. Und die haben 2 große Taschen."
Uff. Davon hatte ich nichts gehört. 
  • "Wir hatten ja auch deswegen extra einen Kombi bestellt!"
Ach?! Mir war klar, so ging´s nicht. Ich funkte die Zentrale an und bat darum, einen Kollegen mit einem Kombi zu schicken. Mir war´s natürlich etwas unangenehm, denn das machte einen schlechten Eindruck auf unsere Arbeit. 
Der Kollege war schnell vor Ort und ich bekam postwendend einen ähnlichen Auftrag. Um 7.50 Uhr sollte ich einen einzelnen Herren ebenfalls zum Flughafen bringen. 

Da ich ja auch noch meinen Anschlußauftrag am Flughafen hatte, lief mir nun ein wenig die Zeit davon. Mein Kunde war um 7.52 Uhr noch nicht erschienen, also klingelte ich. Eine, noch etwas ungekämmte, Blondine machte auf und meinte:
  • "Jaaa, gleich, er braucht noch etwas. Er kämpft mit dem Koffer."
In meinem Kopf tickte die Uhr immer lauter, denn ich wusste, daß wir um diese Zeit mindestens 45 Minuten bräuchten. Ausserdem verriet mir mein Flughafen-App, daß die Maschine aus München, mit meinem Kunden nach Trittau, bereits um 8.20 Uhr landen sollte. Da blieb nicht viel Zeit. 

Erst um 7.59 Uhr kam ein junger Mann heraus, einen riesigen Koffer neben sich her tragend. 
  • "..schuldigung, aber der Koffer ging nicht zu!"
Er packe immer am Morgen erst. Tja. Das hatte er nun davon. Denn als er wissen wollte, wie lange wir denn nun zum Flughafen bräuchten, hatte ich keine guten Nachrichten für ihn. 
  • "Oh, mein Gott. Ich fahre sonst um diese Zeit nie. So lange?"
Ich versprach, mit Mühe zu geben, aber zaubern könne ich eben auch nicht. Ein dünnes Lachen war die Antwort. 
Und ich gab mir Mühe, aber ich hatte keine Hektik. Die hatte nur er. Wie schon einmal erwähnt, hat noch kein Fahrgast eine besonders schnelle und trickreiche Fahrweise honoriert. Warum sollte es bei ihm anders sein?

Meine Entscheidung, über die A24 zu fahren, war genauso gut oder schlecht, als wären wir über die B5 Richtung Innenstadt gerollt. Circa 3 km vor dem Autobahnende erreichten wir den für diese Zeit üblichen Stau. 

Erst zeigte er noch keine Regung. Dann fing er an, hin und her zu rutschen. Putzte sich die Nase und hustete leicht. Er war hypernervös. 
  • "Oh, Mann, das wird ja wirklich kritisch. Schaffen wir´s denn bis um 9.00 Uhr?"
  • "Ja. Das schaffen wir."
Ich zögerte keine Sekunde, dies zu bestätigen, denn ich WUSSTE, daß wir es schaffen. Um ihn zu beschäftigen, füllte ich schon mal den Kreditkartenbeleg aus. Wir benutzen noch ein altertümliches Ritsch-Ratsch-Gerät. Das ruft häufig lustige Kommentare bei Kunden hervor. Nicht so bei ihm. Er nahm es gar nicht richtig war. 

Als ich die Zeile für die Unterschrift, den "Tipp" und die Endsumme frei ließ und ihm gab, entstand erst einmal eine Pause...
  • "Äh, was muß ich denn da jetzt.. äh.. also, ja, gut, hier die Unterschrift.. Aber, wenn ich noch Trinkgeld eintragen will...?"
Oh nein, dieser Typ war nicht nur zum Koffer packen zu blöd, sondern auch zum Lesen! 
  • "...dann schreiben Sie diesen in das vorletzte Feld und die Endsumme in das letzte..!"
Ohne sich zu verschreiben oder die Finger zu verstauchen schaffte er es doch noch und gab mir alles zurück. 

Wusste ich´s doch! Als ich den Trinkgeldbetrag sah, bestätigte sich wieder, daß Tricks und Rasen nicht lohnen. Deshalb ließ ich auch sein. 

Nach weiterem auf-dem-Sitz-rutschen, Nase putzen und tiefen Aus- und Einatmen waren wir endlich am Flughafen: 8.55 Uhr! 

Er hatte es so eilig, daß ich noch nicht mal dazu kam, auszusteigen und ihm seinen Koffer zu geben. Das erledigte er selbst. 

War mir Recht. Na dann, guten Flug..--))!

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