Schilfrohr

Im Grunde könnte ich heute mehrere DIN A4 Seiten schreiben, denn so vielfältig waren die Erlebnisse der letzten beiden Schichten. Aber bei zweien davon würde ich wahrscheinlich mit sensibleren Geistern meiner Leserschaft heftige Diskussionen bekommen, denn nicht jeder besitzt einen so tiefgreifend schwarzen Humor wie ich...--)).
Grundsätzlich herrscht natürlich auch bei Blogs die freie Meinungsäußerung, aber ich habe in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, daß die freie Äußerung im Gegenzug oft Beleidigungen oder Verunglimpfungen des Schreibenden zur Folge hat. Deshalb werde ich auf 2 der 3 Anekdoten verzichten. Auch wenn´s mir schwer fällt, denn in einem Fall haben Fahrgast und ich uns vor Vergnügen beinahe auf die Schenkel geklopft..--)

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Bleiben wir als im humorlosen, nüchternen Bereich.

Am Vormittag hatte Kollege N. die beiden Fahrgäste, mit den ich dann später das zweifelhafte Vergnügen hatte, schon gefahren. Es handelte sich um 2 Arbeiter eines Betriebes in Braak, nahe der Hamburger Stadtgrenze, etwas 20 Fahrminuten nördlich von Reinbek. Da N. und ich uns oft mehrfach am Tage über "What´s App" Nachrichten zukommen lassen und Erfahrungen austauschen, wusste ich schon einige Details, z.B. das sich der zahlende Fahrgast auf den Cent genau heraus geben ließ, was bekanntermaßen nicht so wirklich beliebt bei uns Taxifahrern ist. Schon gar nicht, wenn man im Ganzen fast 1 Stunde Zeitaufwand hatte, freundlich war und die Eigenheiten der Kunden geduldig ertrug. Zum Vergleich: ein Kellner, der den ganzen Abend einen Tisch voller Gäste betreut, viel läuft, sich bemüht, Wünsche erfüllt und seinen Job wirklich gut macht. Lassen sich dann die Kunden auf den Cent heraus geben, wird die Halsschlagader des Kellners auch stark anschwellen. Keine Frage.

Die Beiden mussten nun am Nachmittag auch wieder abgeholt werden. Und zwar von mir. Ich bereitete mich also darauf vor, daß Aufwand und Ertrag im krassen Gegensatz zu einander liegen würden.
Einer der Beiden trug eine Kartonage mit gut einem Dutzend Burger-Brötchen und 2 Tüten Chips auf dem Arm, als sie einstiegen. Ich versuchte einen Scherz..

  • "Das ist ja nett, aber harte Münzen sind mir als Trinkgeld lieber..--))"
Der ging daneben. Aus dem Gesichtsausdruck des jüngeren entnahm ich, daß das Wort "Trinkgeld" in seinem Vokabular nicht vorkam. 
  • "Ey, das wird bei uns sonst weggeworfen... Und ich darf´s nun mitnehmen, geil, ey, nä..?!"
Alles klar. Wo bei ihm der Verstand saß, war klar: klein und unscheinbar im Magen und vielleicht auch noch darunter... 
  • "Ey, besser leben kann man doch nicht, odaa..?"
Natürlich nicht. Mein Himmelreich lag auch immer schon im essen von pappigen Burger-Brötchen und Chips. Keine Frage. 
In Reinbek angekommen ging´s ans zahlen. Das Taxameter zeigte 28,- €. Er öffnete das Portemonnaie, zog 30,- € heraus und meinte:
  • "Ey, gib mir 2,- € zurück..!"
  • "Ja, höchstens...!" gab ich leicht zynisch zurück.
Das nahm er aber gar nicht war. Der Kerl war hohl wie ein Schilfrohr, was konnte ich da auch erwarten?



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Kommentare

  1. Bei manchen Menschen lässt sich erkennen wie dicht Bildung und Erziehung miteinander verbunden sind...

    Gruß aus Goch mein lieber Cousin

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  2. Ich dachte bis jetzt das ein Trinkgeld nur eine Zugabe ist, auf die man zur not auch als Fahrerverzichten kann. Aber wenn ich so deine Berichte lese kommen mir da starke zweifel.
    28euro Umsatz auf dem Taxameter sind immerhin mehr als die Durschnittliche fahrt, sollte man meinen.

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  3. Lieber Anonym,
    auch dich möchte ich bitten, zukünftig zumindest einen Namen im Anschluß an den Kommentar zu hinterlassen. Ansonsten wird kein Kommentar mehr veröffentlicht. In diesem Fall verzichte ich darauf, da du eine sehr interessante Frage stellst.
    Das Trinkgeld ist tatsächlich eine Zugabe, allerdings ist diese bei Taxifahrern, die wie wir auf Stunden- und nicht auf Umsatzbasis fahren, ein beinahe existenzieller Faktor. Von daher spielt der Umsatz nur eine geringere Rolle. Denn wer auf Stunden- oder Festlohn fährt (und der ist nicht sonderlich hoch), macht lieber kurze und häufige Fahrten, als lange. Mehr Fahrten - mehr Trinkgeld.

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  4. Jajaja.....Friseure, Kellner und womöglich noch der Bettler in der Fussgängerzone ist genauso auf eine Dreingabe angewiesen. Der Fehler liegt doch im System, entweder ich komme mit dem Grundlohn aus und freue mich übers Trinkgeld oder ich lasse es eben bleiben. Also ich gebe immer noch aus freude an dem guten Service Trinkgeld, und nicht weil ich irgendwelche zwielichtigen Arbeitsverhältnis aus Mitleid am leben hallten.

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    1. Aber die Dienstleistung aus diesem "zwielichtigen Arbeitsverhältnis" nimmst du gerne in Anspruch, oder?

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  5. Dann nenne ich mal eine gute Antwort auf den Beitrag von Marcus. Schon etwas daneben sein Beitrag. Desweiteren hattest Du nicht auch Anonym gesperrt Marco ?

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    1. DIESEN Anonym habe ich veröffentlicht, weil ich auf diesen ausgesprochen dummen Beitrag auf öffentlich antworten wollte.

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    2. Den unter "anonym" laufenden Kommentar oben find ich noch nicht mal dumm; immerhin gesteht er ja ein, daß seine bisherige Sichtweise ("Trinkgeld ist ein willkommenes Zugeld, aber keine Pflicht") möglicherweise nicht richtig ist.

      Wobei ich allerdings auch sagen muß: wenn der normale Tarif und das daraus resultierende Einkommen des Fahrers zu niedrig sind, dann muß an dieser Stelle nachgebessert werden. (Da hat "Marcus" unrecht: nicht die Ansprüche sind in den von ihm genannten Berufen und auch im Taxibetrieb zu hoch, sondern der Lohn zu gering.)
      Das Trinkgeld ist eine freiwillige Zugabe des Kunden, keine moralische Pflicht. Es gibt Berufe, da darf man Trinkgeld annehmen, in anderen nicht - in meinem letzten Anstellungsverhältnis in Deutschland hätte ich strenggenommen nich mal eine Tüte Kekse annehmen dürfen. Bei einem Einkommen, das auf 35 Stunden hochgerechnet grad mal monatlich 1300 Euro brutto betragen hätte - aber ich hatte nur 11 Wochenstunden.

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