Sunkist oder Urin?

Der Sonntag... Er bringt wohl bei manchen Kunden das Innerste nach außen. Und bei manchen gerät die gute "Kinderstube" (im wahrsten Sinne dieses Mal) in Vergessenheit. Aber dazu später.

Sonntage werden für Vieles genutzt, zum Beispiel, um mit kranken oder einsamen Verwandten gemeinsam essen zu gehen. Wobei ich mich gestern fragte, wer von beiden der Kranke und Einsame war.. Die ältere Dame aus O., unweit von Reinbek, bestellte um 16 Uhr ein Taxi, um mit ihrem im Seniorenheim lebenden Mann beim einzigen "Italiener" im Ort Abend zu essen.
Sie brauchte eine halbe Ewigkeit, um ihre Haustüre abzuschließen, über den verschneiten Rasen zu laufen und im Anschluß ihren weiten, flatternden Mantel mit ins Auto zu nehmen. Aber irgendwann saß sie und wir fuhren los, mit Ziel "La Stella", jenem erwähnten Italiener, direkt in der Stadtmitte.


  • "Mein Mann ist im Seniorenheim, wissen Sie, und ich möchte mit ihm Essen gehen." begann sie.
Ich wusste im Nachhinein nicht mehr, wie sie eigentlich auf die nun folgenden Themen kam, aber das ist auch egal. Sie beschrieb mir die gesundheitliche Situation ihres Mannes, ihre eigene und kam dann auf ihre - natürlich schon erwachsenen - Kinder. Nach ein paar Minuten schaltete ich auf Durchzug. Sie redete, ich fuhr. Sie wollte erzählen, mir fehlte definitiv das Interesse an dem WAS sie erzählte. Ab und an blieben ein paar Satzfetzen hängen.

  • "...irgendwann merkte ich, daß die Kinder nur das Geld meines Mannes wollten..."
und 
  • "..sie besuchen ihn nie, aber Geld wollen sie. Und ich bin natürlich immer die Böse..."
Wir standen gerade an der Ampel im Ortsteil Schönningstedt, als mich sie mich mit
  • "Ich glaube, das interessiert sie ja alles gar nicht, oder..?"
aus meiner Da-rein-da-raus-Stimmung riß.
  • "Doch, sicher, aber ich muß nur auf die Linksabbieger-Ampel achten, deshalb sehe ich zur Seite..!" meinte ich entschuldigend. 
  • "Ach so, na ja, also ich musste doch tatsächlich Aktien verkaufen...."
Sie ließ sich nicht bremsen. 
  • "..und noch vor Monaten hatte ich 8 (Tausend, Anm. d. Verf.) auf dem Konto und nun sind es 14 (Tausend, Anm. d. Verf.) Minus!!!"
Das war natürlich alles ganz furchtbar. Und sicher auch furchtbar einseitig erzählt, aber Fakt war auch, daß sie und ihr Mann eines der größten und schönsten Häuser in O. besaßen, der Mann im immer noch teuersten Pflegeheim Reinbeks lebte, sie selbst Aktien verkauft hat und wohl immer noch nicht pleite war und als es ans Bezahlen ging, die grünen 100,- € Scheine aus Platzgründen aus dem Portemonnaie heraus quollen. Also - jammern auf sehr hohem Niveau, sage ich mal. 
Das ist kein Neid, das ist nur eine Feststellung. 

Und ihr Mann, tja, der saß quietschvergnügt und recht fit aussehend schon am Tisch im Restaurant. Wer weiß, aus welchen Gründen er es wohl vorzog, im Seniorenheim "Cursana" zu leben..--)))?

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Vier Stunden später. Generationswechsel. Ein junge Familie mit 2 kleinen Kindern kam bedächtig vom Bahnhof auf mein Taxi zu. Papa trug den kleinen Sohn auf dem Arm, die Tochter lief mit Mama an der Hand. 
  • "Guten Abend! Haben Sie Kindersitze im Auto?"
  • "Nur Sitzerhöhungen, wenn Ihnen das reicht?"
Es reichte. Die Sitzerhöhungen beim Mercedes sind eine praktische Sache. Vom linken und rechten Platz der hinteren Sitze lassen sich die Sitzflächen nach oben hoch klappen, so daß ein Kleinkind etwas 5 - 8 cm höher sitzt und nicht aus dem Gurt rutschen kann, bzw. dieser nicht im Gesicht oder am Hals des Kindes verläuft. 
Ich klappte beide Flächen hoch, die Kinder wurden platziert, Mama saß dazwischen, Papa vorne neben mir. Bevor wir los fuhren meinte er noch:
  • "Na, mit was habe ich mir denn da die Hose versaut?" und blickte auf einen feuchten Fleck am rechten Oberschenkel.
Wenn ich ehrlich bin, war´s mir egal. So lange es nicht mein Beifahrersitz, sondern seine Hose war, hätte es von mir aus alles sein können. 
Es entwickelte sich zwischen den Eltern und ihren Kindern ein Gespräch, wie es für heute typisch geworden ist. Sie waren offenbar in einer Art Naturkundemuseum gewesen und der dortige Besuch wurde noch einmal nachbesprochen. Da sie alle aber zuvor mit der S-Bahn angekommen waren und sich darin sicher nicht angeschwiegen hatten, verwunderte es ein wenig, daß dieses Thema in meinem Auto nochmals derart durchgekaut wurde. Show? Interessant machen? Möglich. Manche haben so etwas nötig. 
Papa warf mit Begriff um sich, als hätte er gerade noch einmal "Jurassic Park" angesehen, fügte noch (im Dialog mit seinen Kindern!) die Worte "Flora" und "Fauna" hinzu und mixte das mit noch ein paar anderen, fast akademisch klingenden, Wörtern. 

Was ich vorhin mit "typischem Gespräch" meinte, ist die Art, WIE mit Kindern heute oft gesprochen wird. Mit ihnen wird oft wie mit Erwachsenen geredet, manchmal erinnern mich solche Konversationen an die, die in Büros bei "Meetings" abgehalten werden. Für mein Verständnis wird auch mit Kindern heute viel zu viel diskutiert, so als ob sie als gleichberechtigte Partner gelten würden. Aber das ist vielleicht meine altmodische Einstellung...

Die Fahrt endete, Papa zahlte und Mama schob ihre Kleinen aus dem Auto. Natürlich, wie konnte es anders sein, OHNE die Sitzerhöhung zurück zu klappen. Man benutzt etwas und lässt es nach Gebrauch liegen. Das kenne ich schon. Als ich die zweite Erhöhung gerade herunter drücken wollte, sah ich auf dem durch das Hochklappen sichtbar gewordenen Plastikteil der Sitzbank eine Flüssigkeit... WAS IST DAS? fragte ich mich. Es kamen für mich nur 2 Möglichkeiten in Frage:
  1. Der Kleine hatte eine "Sunkist"-Tüte dabei gehabt und ein wenig zu fest drauf gedrückt, sodaß die Flüssigkeit aus dem Strohhalm auf die Sitzbank getropft war - oder..
  2. dem jungen Mann war die Blase "übergelaufen"...--(((?!
Mir fiel der nasse Fleck auf der Hose des Papa´s ein. Hatte er bereits auf dem Arm in die Hose gemacht? Oder dort schon seine "Sunkist"-Tüte zu fest gedrückt? Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ich MUSSTE es wissen. Also berührte ich die Flüssigkeit mit dem Finger und roch daran. 
Es war nicht eindeutig zu identifizieren. Für "Sunkist" o.ä. roch es nicht süß genug. Vielleicht riecht der Urin von Kleinkindern nicht so intensiv, wie der von Erwachsenen? Dann wäre der "Blasenüberlauf" wahrscheinlicher. Ich hatte beim Einsteigen auch keinen Tetrapak in den Händen der Kindern sehen können. Das wäre mir bestimmt aufgefallen, denn über Getränke aller Art ist man als Taxichauffeur nicht unbedingt erfreut und dementsprechend sensibilisiert. 

Sauerei! schimpfte ich den Vieren still hinterher. Ich holte das Desinfektionsmittel aus dem Kofferaum und putzte die Pfütze weg. Von guter "Kinderstube" konnte hier keine Rede sein. Hauptsache, man kann mit seinen Kindern über Flora und Fauna diskutieren...!?

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Zu guter Letzt noch eine Wette. Am Reinbeker Bahnhof hat - mal wieder - ein neuer Imbiss eröffnet. Seit der Bahnhof vor einigen Jahren neu gebaut wurde, ist das sicher schon der 5. oder 6. Versuch, sich mit einem Döner-, Giros-, Sandwich- oder Croque-Imbiss zu etablieren. Bisher ohne Erfolg. Sie scheitern alle, weil es das falsche Angebot in der richtigen Lage ist. 
Das richtige Angebot wäre ein "normaler" Imbiss mit Currywurst, Pommes, Schnitzel, Schaschlik usw. Dessen bin ich mir mit vielen Anderen sicher. 

Nun, wir werden es erleben. Ich wette, ich berichte - spätestens in ein paar Monaten - über die Schließung..--(( 




Kommentare

  1. Feuchttücher im Taxi kann ich nur empfehlen. Meinen Finger und meine Nase hätte ich nicht verwendet. Am Besten noch abschmecken, nur habe ich keine Ahnung wie Urin schmeckt. Bäh eklig.

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