Ohne viele Worte

Eine der kommunikativ sparsamsten Touren meiner Taxifahrerkarriere hatte ich in der vergangenen Nacht.
Ich war erst am Samstagmorgen überhaupt zu einer ad hoc Nachtschicht gekommen, da wohl mehrere Fahrer ausgefallen waren. Samstagnacht fahren bringt Spaß und meistens gutes Trinkgeld, also - warum nicht?

Die Kundin, die ich meine, stieg gegen 18.45 Uhr ein.

  • "Hotel (Grand) Elysée, bitte."
Sie war etwa Anfang 60, sehr gut gekleidet, angenehmer Umgangston, aber scheinbar etwas nervös. Bereits nach 200 m bat sie mich, nochmals umzukehren. Nach ein paar Minuten konnte die Fahrt dann los gehen.
  • "Möchten Sie Autobahn oder die B5 fahren?"
  • "B5."
Beide Weg führten über Bürgerweide und Sechslingspforte zur Alster. Nur der Weg über die Autobahn ist ca. 2 km weiter, dafür aber schneller. Ich wusste ja nicht, wie eilig sie es hat. In den folgenden gut 25 Minuten Fahrtzeit sagte keiner von uns ein weiteres Wort. Nur - SIE machte permanent Geräusche: sie räusperte sich ständig. Erst im Abstand von gut 1 km, dann alle 500 m und zum Schluß war das "Ähem.., ähem..." alle 100 m zu hören. Hatte die Gute ein Date..-)? 

Beim Abbiegen in die Moorweidenstraße fragte ich:
  • "Möchten Sie nachher wieder abgeholt werden?"
  • "Nein. Danke."
Aha! Doch ein Date mit ungewissem Ausgang..--))? Der letzte Wortwechsel bezog sich nur noch auf den Fahrpreis. Ich nannte ihn, sie rundete etwas auf. Fertig. 
  • "Wiedersehen!"
  • "Wiedersehen!"
Mitgezählt? Es waren (mit Fahrpreis) 8 Worte von ihrer Seite. Dafür aber sicher 80 Räusperer...

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Um 22.30 Uhr kam ein Auftrag aus dem "Waldhaus Reinbek", einem 5-Sterne Hotel idyllisch nahe der Bille gelegen. Mitten im Wald und sehr teuer. Meines Wissens ist es auch das offizielle Quartier der DFB-Elf, wenn sie in Hamburg ein Länderspiel bestreiten. 
Ich meldete mich an der Bar, nannte den Namen des Kunden und bat den Kellner, den Gästen Bescheid zu geben. 

Nach 3 - 4 Minuten kam ein Päarchen heraus. Sie trug hohe Schuhe, blieb auf dem leicht abschüssigen Weg vor dem "Waldhaus" stehen und ließ sich von ihrem Partner abknutschen. Das Ganze sah urkomisch aus, weil beide wohl in natura gleich groß waren, aber sie durch die hohen Schuhe und er durch seine Position VOR ihr auf dem abschüssigen Stück wesentlich kleiner aussah. Er musste sich strecken, um sie zu küssen.. Wie dämlich sah das denn aus? Scheinbar war er auch stark angetrunken. Jedenfalls wirkten seine Bewegungen nicht mehr koordiniert. 
Es folgte ein 2. Päarchen und alle 4 stiegen nun ein. Der vorne Sitzende war - wie immer - der nüchternste, während hinten schon ein paar Promille zusammen kamen. 
Ein Wortwechsel von coolen Sprüchen, Angeberparolen und das übliche
  • "Hey, hassste keine Musik hier...?"
folgten. Bevor ich noch etwas erwidern konnten, fummelt der vordere schon am Radio rum. DAS kann ich überhaupt nicht leiden. Man stelle sich vor, ich würde bei ihm Zuhause zur Tür hinein gehen und mich gleich mal am Kühlschrank bedienen?! Zeitgleich kam vom kleinen Angeber hinten eine an mich gerichtete Frage:
  • "Hey, Chef, ich habe hier so einen Griff zwischen den Beinen... Was is´n dass, Chef?"
Drei Baustellen, die gleichzeitig zu bewältigen hatte: dem Radio-Grabscher seine Grenzen zeigen, die "Chef"-Rufe abbügeln und dem Angeber zu erklären, was er so "zwischen den Beinen" hat.. Letzteres interessierte mich am aller wenigsten, bot mir aber den besten Aufhänger, ihn kalt zu stellen. 
  • "Meinst du mit "Chef" etwa mich?"
Ich kann es überhaupt nicht leiden, "Chef" oder "Freund" oder "Alter" genannt zu werden. 
  • "Das, was du zwischen deinen Beinen hast, ist eine Sitzerhöhung und für Fahrgäste gedacht, die körperlich etwa 30 Jahre jünger sind als du!"
Das saß. Es kam noch ein kurzes Gemaule zurück, dann hatte ich für den Rest der Fahrt von ihm meine Ruhe. 

Nun noch zum Radio-Selbstbediener. Er ging auf das Herunterbügeln seines Kumpels natürlich nicht ein, sondern meckerte über die eingespeicherten Sender. 
  • "Ey, wie bist´n du drauf, was hast´n da für Sender..?"
Meine Antwort war kurz und trocken.
  • "Das sind MEINE Sender und es ist MEIN Radio!"
Nun war auch das Thema "Radio" keines mehr. Sie unterhielten sich nur noch untereinander. Angeber und seine Freundin stiegen in Schönnigstedt aus, nicht jedoch ohne noch unverblümt anzudeuten, was sie gleich Zuhause zu tun gedenken... 
Der andere, dessen Freundin eine Mickeymaus-Stimme hatte, dirigierte mich weiter nach Glinde und fing an, zu telefonieren. 

Wohl wieder etwas heruntergekühlt, gab´s zumindest ein gutes Trinkgeld. Nachtragend war er wohl dann doch nicht. 

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Um Mitternacht durfte ich dann auch nochmals in die Innenstadt, 3 Girlies wollten "Party machen". Auf dem Rückweg genoss ich die nächtliche Szenerie. 

Immer wieder schön, diese Stadt:
Hotel "Hafen Hamburg", Landungsbrücken
U-Bahn Viadukt zwischen Baumwall und Landungsbrücken


Kommentare

  1. Das Thema Radio nervt richtig und da bin ich mitlerweile sehr eigen und werde unfreundlich. Die Erziehung ist an manchen Menschen vorbeigegangen, oder der Alk läßt diese vergessen.
    Mein Taxi war ein paar Monate alt und ein Fahrgast dreht auf volle Lautstärke. Auch wenn ich sofort wieder leiser gestellt habe, war ein Lautsprecher defekt. Meiner Chefin war es egal und sagte sie zahlt das nicht. VW hat es auf Garantie gezahlt und mich hat es viel Zeit gekostet.

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