Gesucht: Ein ganzer Kerl!

Improvisieren gehört zum Taxigeschäft. Ohne würde es nicht funktionieren und ohne würde es auch keinen Spaß machen, oder? Es sind schließlich die besonderen Fahrten, die unseren Job ausmachen.

Die gestrige, von dem ich hier berichte, klang bei der Auftragsvergabe eher nach 08/15:

  • "Krankenhaus Notaufnahme, ein Herr wartet dort und möchte nach Oststeinbek!"
Kam öfters vor. 

Ich stellte mein Auto oben, also vor der Treppe zum Haupteingang, ab. Der Warteraum der Notaufnahme war voll. Links saß ein älterer Herr im Schlafanzug und auf den wies der freundlichen Krankenhausassistent, als ich mich vorstellte. 
  • "Wenn Sie diesen Herrn hier bitte nach Hause bringen würden..!?"
Der ältere Mann sah hoch, musterte mich und meinte:
  • "Können Sie mich heben? Ich meine, Sie müssen mir unter die Arme greifen..!"
  • "Natürlich, das ist doch kein Problem."
  • "Ich hatte extra gesagt, es soll ein GANZER KERL kommen, kein Mädchen, keine Memme..!"
Ob für ihn Mädchen und Memmen eins waren, ließ er offen. War mir auch egal. Schließlich stand ICH vor ihm: 190 cm hoch und 95 kg schwer. Ob ihm das reichte..--))?
  • "Sehe ich etwa aus wie ein Mädchen?" fragte ich ihn.
Das Wartezimmer lachte. 
  • "Nein, tun sie nicht..!"
  • "Dann können wir jetzt gehen, oder?"
Ich benutzte einen ebenso barschen Ton wie er. Das schien im zu gefallen. Als wir jedoch 3 Meter gelaufen waren, beschloß ich, umzudisponieren. So ging´s nicht. Der alte Herr ging im Tippelschritt und das auch noch quälend langsam. 
  • "Setzen Sie sich dort bitte hin und warten auf mich. Ich besorge einen fahrbaren Untersatz für Sie." 
Ich deutete auf eine Sitzgruppe in der Eingangshalle. Während er dahin schlurfte musste er fortwährend seine Schlafanzughose festhalten, sonst wäre er "unten ohne" da gestanden. Musste ja nicht sein. 

Der Assistent von vorhin lief mir über den Weg. 
  • "Ich brauche einen Rollstuhl!"
  • "Ja, ja, bringe ich Ihnen." meinte er. 
Warum hat er das nicht gleich getan? Er wusste doch schon, wie schlecht der alte Mann laufen konnte, bevor ich hinzu kam. 
Kurz darauf kam er wieder - mit einem solchen Gefährt:



Also, den alten Mann ein- bzw. drauf geladen und raus ging´s. Dort stellte sich das nächste Problem dar: die Treppe.


Das ging natürlich gar nicht. Ich stellte mir vor, wie ich den Stuhl und ihn dort hinauf zog..--)). Also, die Alternative: die Rampe.


Sieht einfacher aus, als es am Anfang ist, denn die ersten 30 Meter besteht der Weg aus kleinen Kopfsteinpflastern! Sehr sinnvoll vor einem Krankenhaus, in dem es vor Rollstühlen wimmelt und dessen Patienten oft in einem solchen gebracht werden. Kopfsteinpflaster!!!

Den alten Herrn vorwärts hinauf schieben ging nicht. Zu schwer. Also - umdrehen und ziehen. Der Gute wurde derart durchgeschüttelt, daß seine vereinzelten Worte seltsam verzerrt klangen:
  • "Alles klar bei Ihnen?"
  • "Aaaaallllleesssss kllllllaarrrrr...!"
  • "Sitzen Sie gut?"
  • "Herrrrrvorrrrragggenndddd..."
Na also, geht doch! Eine Ewigkeit später saßen wir im Auto. Mittlerweile hatte er seine normale Sprache wieder gefunden und konnte mir seine Adresse nennen. 
  • "XYredder 21e in Oststeinbek."
Er machte eigentlich einen normalen Eindruck, aber als seine Erzählungen und seine Schimpftiraden über die Krankenkassen begann, wusste ich, welcher Geist noch in ihm wohnt.
  • "Es ist wirklich unglaublich, aber seit 1943 zahle ich jeden Beitrag regelmäßig an diese Kassen und die haben es nicht...." Und so weiter uns so fort. 
Seltsamerweise klang es ähnlich wie ein gewisser Schwerverbrecher und Massenmörder, der Anfang September 1939 Worte sagte wie:
  • "...und seit 5.45 Uhr wird nun zurück geschossen..!"
Nein. Konnte auch eine Verwechslung sein. Lassen wir´s...--))

Die Adresse stellte sich im Übrigen als falsch heraus. Zwar nicht die Straße, aber die Hausnummer. Zum Glück erinnerte er sich wenigstens an seine Telefonnummer, sodaß ich seine Frau anrufen und nach der richtigen fragen konnte. 

Der Rest war ein Kinderspiel. Wir hatten sein Haus gefunden, seine Frau konnte bezahlen und er schaffte es sogar, die Hose bis zur Haustür nicht zu verlieren. 

Immerhin.

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