Das "Zweite Kissen"

Die ganze Woche kam ich nicht dazu, Beiträge zu schreiben. Dafür habe ich mir heute gleich 3 Erlebnisse heraus gesucht, die berichtenswert sind. Und gleich mal vorweg - ja, es ist auch ein Beitrag mit negativem Beigeschmack dabei. Schließlich schreibe ich hier keine Rosamunde-Pilcher-Romane, sondern Geschichten aus dem realen (Arbeits-)Leben..--)

Da wäre dann heute für jeden etwas dabei: Widerliches, etwas zum Nachdenken und etwas, was mich belustigt hat.

Ich fange mal mit dem Widerlichen an.

Donnerstagnachmittag, ich wollte eigentlich schon den Schlüssel abgeben, durfte ich nochmal "schnell" nach Börnsen, was gut 5 km östlich der Hamburger Stadtgrenze Richtung Lauenburg liegt. Dort warteten, laut Zentrale, 2 Fahrgäste an einem örtlichen "Grill" auf mich und wollten nach Bergedorf. Gut, das geht ja schnell, dachte ich, und kurvte nach Börnsen. Den "Grill" zu beschreiben spare ich mir jetzt. Ein 08/15-Laden, wie er oft vorkommt.
Heraus kam ein älterer Herr, gut 60 - 70 Jahre, und eine Frau, die ich im ersten Augenblick für seine Frau hielt und an einem Eis schleckte.
Der Mann kam auf mich zu und bat mich, noch 2 Minuten zu warten, weil seine Tochter (!!), noch ihr Eis aufessen wolle. In Anbetracht dessen, daß ich dieses Eis nicht in meinem Auto haben wollte, wartete ich natürlich gern.

Zwei Minuten darauf öffnete die Tochter die Beifahrertür und - trat 2 Schritte zurück. Nanu? Will sie mit Anlauf ins Auto springen? Nein, nicht mit Anlauf, aber sie braucht Abstand! Sie war offenbar so unbeweglich aufgrund ihrer Fettleibigkeit, daß sie es nicht schaffte, ganz normal ein Auto zu besteigen. Sie trat also zurück, riß das linke Bein hoch, überließ es der Schwerkraft, ihren Körper samt Bein nach vorne kippen zu lassen und versenkte dieses im Fußraum. Dann machte sie eine 90 Grad Rechtsdrehung, traf mit ihrem Gesäß den Beifahrersitz und zog mühsam das rechte Bein nach. Plumps! Da saß sie - und stank!
Ja, sie roch nicht, sie stank widerlich. Da mein Fenster und ihre Beifahrertür noch offen standen, war´s einigermaßen erträglich, aber als ihr Vater kurz darauf hinten zustieg und Türen und Fenster geschlossen waren, dachte ich, ich müsse mir mein Frühstück nochmals "durch den Kopf gehen lassen"..--((.

Mein Fenster fuhr zur Hälfte herunter, die Lüftung stellte ich 2 Stufen höher und direkt auf meine Nase. Trotzdem - wie lange darf ein Mensch sich nicht waschen, um so zu stinken???
Die gut 5 km lange Fahrt nach HH-Bergedorf zog sich wie Kaugummi. Die Konversation mit dem Vater, auf niedrigem Niveau, führte ich halb wie im Nebel. Das Glück war aber mit mir, denn wir hatten beinahe an jeder Ampel grün. Blitzer hätten jetzt nicht hier stehen dürfen, denn mein rechter Fuß senkte sich wie von selbst ziemlich weit nach unten.

Als beide ausgestiegen waren, holte ich des Desinfektionsspray aus dem Kofferraum. Der chemische Geruch nahm einem zumindest den Würgereiz.

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Leider erlebe ich es seit 2 Jahren immer öfter, daß mein früher so heiles "alle-Menschen-sind-gleich"-Weltbild ins Wanken gerät. Ich habe zwar - zum Glück - immer noch keine generellen Vorbehalte gegenüber bestimmten Nationalitäten oder Bevölkerungsgruppen, aber ein Flecken sind auf diesem weißen Weltbild-Tuch schon aufgetaucht..--((.
Gestern, am Freitag, erging der Auftrag, ich solle doch bitte zum "Sozialkaufhaus" im Reinbeker Gewerbegebiet fahren und Fahrgäste aufnehmen. Hier erkannte ich schon für mich einen ersten, leisen Widerspruch: Sozialkaufhaus - Taxi? Nun gut. Es konnte ja auch eine Verkäuferin oder der Geschäftsführer sein.

War´s aber nicht. Als ich auf den Hof fuhr, kam mir zuerst ein junges Mädchen von vielleicht 16 Jahren, mit dunklem Teint und langen schwarzen Haaren entgegen. Ein paar Meter dahinter schlurfte eine Frau, offenbar ihre Mutter. Ebenfalls wohl südosteuropäischer Herkunft. Letzteres war auch anschließend im Auto für mich nicht erkennbar, denn die Sprache der Beiden sagte mir gar nicht. Egal.
Als die Mutter mich sah, fing sie plötzlich an, etwas zu betont zu humpeln und verzog alle paar Sekunden das Gesicht. Oh, wie sie litt.... Beide, Mutter und Tochter, waren gut angezogen und sahen gepflegt aus. In halbwegs gutem Deutsch nannte sie mir das Ziel: eine Straße im angrenzenden HH-Lohbrügge. Häßliche Sozialbauten, soweit kannte ich die Adresse vom Vorbeifahren.

Als wir losfuhren fragte sie:
  • "Was wird kosten?"
  • "Gut 10 Euro ungefähr." antwortete ich .
Sie zog ein dickes Geldbündel (!) heraus, aus welchem ich mit einem kurzen Seitenblick mindestens 200,- € erkennen konnte. Die schwarzen Flecken auf meinem Weltbild wurden größer.
Sozialkaufhaus - Taxi - Geldbündel?

Wir waren kaum 500 m gefahren, zog "Mutter" ihr Handy raus. Kein alter Knochen, nein, es wirkt recht modern. Ich verstand zwar kein Wort, aber den Sinn des Gesprächs: sie säßen im Taxi (das Wort ist wohl in jeder Sprache gleich) und seien gleich Zuhause.
Aha. Ein wirklich wichtiges Gespräch also, denn kaum 5 Minuten später standen wir dann auch vor der angegebenen Adresse. Sie zog aus dem schon bekannten Bündel einen 10-Euro-Schein und verschwand mit ihrer Tochter.

Ich frage mich im Nachhinein: sind solche Menschen nur dreist oder besonders schlau, weil sie bestehende soziale Einrichtungen ausnutzen, ohne offenbar ein schlechtes Gewissen zu haben? Wer sich von einem Sozialkaufhaus mit eine Taxi abholen lässt, einen dicken Bündel Geldscheine dabei hat und auch noch unnütze Gespräche mit dem Handy führen kann, der ist in meinen Augen beides: dreist und schlau.

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Nun aber mal was Witziges. Jedenfalls fand ich es witzig.

Dienstagmorgen, 6.30 Uhr. Ein Kunde hatte ein Taxi zum Flughafen bestellt. Von meinen Kollegen, die ihn bereits kannten, kam nur der Hinweis: "Ein Schlaumeier! Viel Spaß mit ihm!"

"Schlaumeier" war ein Mann Anfang 40. Mit Aktentasche, Laptop und Blackberry ausgerüstet. Zuerst verlief die Fahrt schweigsam, aber als ich ihn fragte, wann er denn am Flughafen sein müsse, war das wohl sein Stichwort.
Er meinte, es sei egal. Wenn der den Flug verpasse, dann nähme er eben den nächsten.
  • "Aha, dann haben Sie also ein flexibles Ticket?"
Er drehte sich zu mir und meinte, cool und arrogant zugleich:
  • "Wissen Sie, wenn mal will, geht immer was."
Oh, der Herr hielt sich für einen ganz besonderen Fluggast? Na, dann wollen wir mal ein wenig "spielen", dachte ich..--)). (Anm.: ich habe 20 Jahre bei Lufthansa in den Bereichen Vertrieb, Check-in und Flugzeugabfertigung gearbeitet, also die ganz Kette durchlaufen, die auch ein Fluggast durchläuft, wenn er ein Ticket bucht und dann fliegt.)

Und er begann zu erzählen von seiner "Senator-Card", seinem besonderen Status und von einem Kollegen mit der "scharzen Karte" (in Fachkreisen auch "HON"-Karte o.ä. genannt), der angeblich mal zu einem Kapitän "nach vorne" gegangen ist, mit der Karte "gewunken" hat und so dafür gesorgt haben will, daß dieser noch auf ihn (meinen Fahrgast) gewartet hat, als er spät dran war.

In diesen Kreisen also bewegte sich "Schlaumeier" also, bzw. wollte er sich bewegen oder dazu gehören!
  • "Wissen Sie, am Flughafen ist es dann auch immer Entscheidungssache des "Dienstältesten" der Lufthansa zu entscheiden, ob ich noch mitkomme oder nicht..!"
Herrlich! Endlich ein Vorlage für mich.
  • "Sie meinen den Flightmanager."
  • "Nein, ja, äh... oder so, ja.."
Er sei mal in München erst zur Abflugzeit zum Gate gekommen und da wäre doch tatsächlich schon geschlossen gewesen! Man habe ihn dann umgebucht - auf einen Flug 11 Stunden (!) später.
  • "..dabei stand die Maschine noch da!"
Ich machte ihm klar, daß 150 Passagiere nicht wegen ihm als Einzelnen zu spät zu ihren Zielen kommen wollten und sollten. Deshalb würden geschlossene Maschinen auch nicht wieder geöffnet.
  • "Ja, aber 11 Stunden später..."
Er schwieg kurz. Dann kam seine Frage.
  • "Sie haben am Flughafen mal gearbeitet?"
  • "Ja. Und nicht nur am Flughafen." antwortet ich knapp und unterdrückte ein Lächeln.
Ab diesem Moment war das Thema "Fliegen" für Schlaumeier abgeschlossen. Stattdessen erzählte er, wie beiläufig, in welchen Preiskategorien sich seine Hotels befinden, in denen er nächtigte. Jenseits der 250,- € / Nacht. Natürlich.
Auf meine Bemerkung über den "Gegenwert" eines solchen Preises fing er an, mir in kurzen Worten die Preiskalkulation solcher Hotels darzulegen. Als ich daraufhin ihm klar machte, daß mir solche Kalkulation durchaus bekannt waren und es in meiner Frage auf den materiellen Gegenwert ging, schwenkte er übergangslos auf´s nächste Thema: die "Sonderdienste" in einem solchen Hotel.

  • "Wenn Sie in einem solchen Hotel beim Consièrge ein "Second Pillow" (also ein "Zweites Kissen") bestellen, dann klopft es innerhalb einer halben Stunde an ihrer Tür und vor ihnen steht eine gutaussehende Dame mit Handtasche und bietet Ihnen ihre Dienste an!"
Interessant. So wie er es erzählte, hatte er wohl Erfahrung damit, obgleich er im Nachsatz hinzufügte, daß ER natürlich einen solchen Dienst noch NIE in Anspruch genommen habe.. Er wisse nur von einem Kollegen davon.

Ist schon klar.

Der Kerl wurde immer lustiger. Erst trug er dick auf, was sein Flugreisen angeht, woraufhin ich ihm erst mal den Zahn zog. Dann schwafelte er von teuren Hotels, deren Gegenleistung ich in Zweifel zog und nun spielte er den Ahnungslosen, was die Inanspruchnahme von Prostituierten auf Reisen angeht. Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gelacht und in aufgefordert, doch mal bei der Wahrheit zu bleiben. Dann hätte ich wesentlich mehr Respekt, zumindest vor seiner Ehrlichkeit, gehabt.

Aber solche Fahrgäste braucht man auch, finde ich. Zumindest dienen sie einem selbst zur Erheiterung..--)).

Kommentare

  1. na, da hat die Einschätzung der Kollegen ja ganz offensichtlich gepaßt. Sowohl was den Fahrgast angeht, als auch Dich... ;-)

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  2. Ich habe mich beim dritten Teil köstlich amüsiert und konnte mir den Herrn auch sehr gut bildlich vorstellen... :D Eigentlich hätte man den noch ein bisschen von seinem hohen Ross runterholen müssen, aber Du hast da schon sehr gut kontra gegeben, wie ich finde. :)

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