Radio - Laut!

Meine bisherigen Erfahrungen beim Fahren von japanischen Kunden (=Patienten) waren zu 100% positiv. Nie ein böses Wort, nie eine Beschwerde. Einsteigen, Schweigen, Ankommen - so läuft es in der Regel ab. Da kenne ich Kunden, die ich weniger gerne fahre.

Ab jede Regel hat ihre Ausnahmen und die bekam ich heute mal vorgeführt.

Gerade hatte ich eine Fahrt beendet, die mich aufgrund des Verhaltens des Fahrgastes, an den Rand einer Magenverstimmung gebracht hatte, da erhielt ich den Auftrag, einen Herrn Y. vom Bethesda-Krankenhaus in den Hamburger Westen zu fahren. Routine eigentlich, aber ich hatte in diesem Moment dazu soviel Lust, wie auf Baden in einer Jauchegrube..--((.

Unten in Ebene 0 warteten 3 "Kinder der aufgehenden Sonne" auf mich: Papa, Mama und Tochter. Letztere war um die 30 und sprach etwas Deutsch. Beim Hinaufgehen hielt ich dem direkt hinter mir laufenden Papa die Tür auf und sah noch, wie er sie einfach hinter sich zufallen ließ. Mama und Tochter beachtete er nicht. Stattdessen tippte er im Laufen etwas in sein Netbook.
So ein Büffel!

Ich fuhr vom Krankenhausgelände, als es im Funk neue Auftragsvergaben gab. Die Zentrale rief, die Kollegen antworteten. Normaler Taxibetrieb. Papa Nippon (nein, nicht "Hippo"..--)) starrte auf den Lautsprecher und meinte:
  • "Laut!"
  • "Bitte?"
  • "Laut! Radio laut!"
Ich begriff. Der Funk war im zu laut. Dem konnte ich abhelfen und stellte eine Stufe leiser. Nach 500 Metern wieder der Blick...
  • "Noch laut!"
Es waren vielleicht die einzigen Worte Deutsch, die er sprach, deshalb setzte ich die folgende Konversation in Englisch fort.
  • "Das ist mein Funk und ich muß ihn hören."
  • "Ist zu laut. Machen Sie ihn aus.!"
Gerade zur Ruhe gekommen, meldete sich mein Magen wieder. Ich merkte, wie die Menge an Adrenalin in meinem Blut sprunghaft stieg. Langsam klappte ich mein geistiges Visier herunter. Ganz langsam..
  • "Nein. Er bleibt an. Der Funk gehört zu meinem Taxi und damit zu meiner Arbeit."
  • "Das interessiert mich nicht."
Nun klappte das Visier ganz herunter und die Hand griff zur Streitaxt.
  • "Zur Kenntnis genommen."
  • "Bitte?"
  • "Ich habe es zu Kenntnis genommen, daß Sie der Funk stört, aber es bleibt dabei, ich werde ihn NICHT ausschalten."
Ich blieb äußerlich völlig ruhig. Denn Streitigkeiten mit Fahrgästen sind heikel. Auf der einen Seite muß man firmenorientiert denken und darf den Fahrgast nicht verärgern. Schließlich gibt es welche unter ihnen, die anschließend gleich den Chef anrufen und sich beschweren. Und ich möchte für keinen Chef der Welt die Hand ins Feuer legen, daß er uneingeschränkt hinter mir steht...

Auf der anderen Seite will man seinen Stolz bewahren und sich nichts gefallen lassen. Hätte er von vorne herein höflich darum gebeten, den Funk abzustellen, weil er arbeiten will - ich wäre der Letzte, der das verweigert hätte. Aber so...
  • "Es interessiert mich nicht, ob sie den Funk brauchen. Stellen Sie ihn ab!"
  • "Nein. Sie werden außerdem feststellen, daß wir in 3 Minuten diesen gar nicht mehr hören, da wir außer Reichweite sind."
  • "Gut. Wenn ich in 3 Minuten noch etwas höre, steige ich aus und nehme ein anderes Taxi."
Ich musste ein Grinsen vermeiden, denn ich stellte mir vor, wie er - dann schon auf der Autobahn - auf dem Standstreifen mit seinem Netbook ausstieg und auf ein anderes Taxi wartete...--)).

Aber soweit kam es ja gar nicht. Nach ziemlich genau 3 Minuten war von meiner Kollegin am Funk nichts mehr zu hören und Papa Nippon tippte den Rest der Fahrt Emails in sein Netbook.

Zum Schluß ließ er seine Tochter, die sich, genau wie die Mutter, aus dem Streit heraus gehalten hatte, die Fahrt unterschreiben. Er selbst war sich wohl zu fein, um selbst den Stift in die Hand zu nehmen.

Auch in Japan gibt´s scheinbar Idioten!

Quelle: www.kunstkopie.ch


Im Übrigen hatte mein Kollege am Morgen ein ähnliches Zinober mit Papa Nippon erlebt. Da Kollege N. aber kein Englisch spricht, hatte er nur die Achseln gezuckt und aus dem Fenster gestarrt. ______________________

Kommentare

  1. Und das dürft Ihr? Für mich wäre logisch: Während der Fahrt "gehört" das Taxi und die gesamte Aufmerksamkeit des Fahrers mir, dem Fahrgast. Deswegen muß er auf mein Verlangen natürlich den Funk ausmachen, völlig klar -- denn der Funk ist für die Durchführung der aktuellen Transportleistung nicht von Belang. Was der Fahrer danach macht, ist nicht mein Problem. (Würde ich aber niemals verlangen -- auch völlig klar. Aber ich bin ja auch nicht Papa Nippon.) Was sagt Eure Taxiordnung dazu?

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    1. Ich möchte darauf erst mal mit einer Gegenfrage antworten: Wenn du Bus fährst (und in Bussen gibt es auch Funk), verlangst du dann vom Fahrer auch, daß er sein Funkgerät ausschaltet? Ich denke, du würdest eine entsprechende Antwort vom Fahrer erhalten.

      Ob das Hören des Funkverkehrs für den Fahrer aktuell von Belang ist, kann aus meiner Sicht nur der Fahrer entscheiden. Schließlich muss er für die Zentrale erreichbar sein. Eine Freisprecheinrichtung besitzen unsere Taxen nicht und ohne darf ich laut Taxenordnung nicht telefonieren, bin also auf diesem Wege auch nicht erreichbar. Fazit: Der Funk muß hörbar sein.

      Aber um deine Frage auch "rechtlich" zu beantworten, habe ich mir die "Taxiordnung Landkreis Stormarn" heraus gesucht und dabei 2 relevante Absätze gefunden.

      §7, Abs. 4 besagt: "..Funk- und sonstige Audiogeräte dürfen während der Fahrgastbeförderung nicht so laut eingeschaltet sein, dass sie den Fahrgast stören.."

      Dem bin ich nachgekommen, indem ich das Gerät leiser stellte. Ein Ausschalten des Geräts ist nicht erwähnt. Sicher, der Absatz ist etwas "gummiartig", denn wo ist die Grenze, die den Fahrgast stört? Dann kommen wir aber wieder an den Punkt "Erreichbarkeit".

      Mein Verhalten dem Fahrgast gegenüber wird durch §3, Abs. 3 gedeckt:

      "..Das Fahrpersonal hat eine ordentliche und saubere Kleidung zu tragen. Es hat sich rücksichtsvoll und besonnen zu verhalten.."

      Beides war gegeben.

      Über deine Ansicht, daß - grob gesagt - während der Fahrt Fahrer und Taxi dir "gehören" - nun, darüber kann man streiten. Denn dann würde jedes öffentliche Verkehrsmittel - und dazu zählen Taxen - dem Fahrgast "gehören". Obwohl Beförderung und das Verhalten des Fahrers durch die Taxiordnung festgelegt ist, muß der Fahrer immer noch in der Lage sein, seine Arbeit im Gesamten durchzuführen, d.h. er muß erreichbar sein und sich auch schon um die kommenden Aufträge kümmern (können).

      Wer also ein Fahrzeug und einen Fahrer einzig für sich alleine haben möchte, darf keine öffentliches Transportmittel nutzen, sondern sollte sich einen Wagen mit Chauffeur mieten.

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    2. Hm, du kannst also auf den Funk nicht verzichten was aber keine Rolle mehr spielt wenn du dich ausser Reichweite begibst?
      Die Logik schon sehr stringent.

      Im Übrigen hast du ja schon Zitiert das man im Zweifel eben die Funke auf Lautstärke 0 stellen muss.

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    3. Wenn ich außer Reichweite bin hat das technische Gründe, liegt also nicht mehr in meiner "Macht" erreichbar zu sein. Ausserdem bin ich dann eher uninteressant für die Zentrale, weil zu weit weg.
      Aber es geht im Grunde doch gar nicht darum, ob ich den Funk ausschalte oder nicht. Es geht um den Ton, der hier vom Fahrgast an den Tag gelegt wurde und den ich mir nicht gefallen ließ.

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    4. Bei dem Ton bin ich natürlich völlig bei Dir. Man kann natürlich nicht erwarten, daß jemand, der einer Sprache kaum mächtig ist, einen Satz wie "Entschuldigen Sie, könnten Sie vielleicht den Funk ganz abstellen? Das wäre wirklich furchtbar nett von Ihnen. Vielen Dank." herausbekommt. Aber mehr als ein unfreundliches Grunzen dürfte es schon sein. :-)

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  2. Also, ich finde Dein Verhalten schon angemessen - vom gesunden Menschenverstand aus gesehen. Der Funk war leise, sodass Du ihn hören konntest. Das finde ich in Ordnung, da ja immer eine wichtige Meldung kommen kann - "Achtung, Papa Nippon ist ein Betrüger" ;) - da sollte man die Ohren schon auf haben...

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  3. Nicht nur die Taxiordnung, sondern auch das Gesetz verbieten das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung - Zuwiderhandlung gibt Pünktchen. Und so ein Ding mit Knopf im Ohr stiftet im Zweifelsfall ebenfalls Ärger, weil es ja das Hören anderer Schallquellen behindert.

    Die Argumentation mit dem Linienbus hinkt. Denn im Bus muß ich ja damit rechnen, daß andere Menschen mitfahren (36 Sitzplätze, 42 Stehplätze... ;)), die sich unterhalten könnten. Im Taxi bin ich quasi Alleinnutzer.
    Tatsächlich gibt die Taxiordnung, die du zitierst, auch als absoluten Maßstab für "zu laut" das Empfinden des Fahrgasts an, und bei wortgetreuer Anwendung der Taxiordnung hättest du den Funk auf 0 drehen müssen. Und "rücksichtsvoll" ist Auslegungssache...

    Daß der Typ ein Arschloch ist, muß wohl nicht diskutiert werden. Aber ganz abseits jeder Kritik war dein Verhalten da m.E. auch nicht.

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