Wellenreiten

Diesen Dienstag, der für mich der Montag war (weil ich am eigentlichen Montag frei hatte), hätte ich eigentlich als "Wellenreittag" einstufen müssen. Wellenreiten deshalb, weil es ähnlich dem Reiten auf Wellen lief. Die ersten Stunden, bis ca. frühen Nachmittag, arbeitete ich in tiefen Tälern.

Zuerst eine Rechnungsfahrt, dann war Dialysezeit, dann wieder eine Rechnungsfahrt und als Krönung ging´s mit einem unseren besten und ältesten Stammkunden nach Lübeck. Mit Wartezeit, auf Rechnung ohne Tipp. Super. Wenngleich ich gestehe, daß ich diesen Kunden recht gern fahre, weil mich meine Arbeit machen lässt, mir vertraut und selbst die Ruhe findet, im Auto zu arbeiten und gelegentlich auch zu schlafen. Mehr Vertrauensbeweis geht nicht, finde ich.

Doch bevor´s nach Lübeck ging, durchschritt ich schon das emotionale Wellental bei einem anderen Auftrag. Ich wurde zu einer Adresse geschickt, die mir schon lange gut bekannt ist und die Touren bringt, die man am besten ziemlich schnell abhakt und sich nicht aufregt. Meistens fährt "sie" und ihr Mann bleibt aufgrund seiner Krankheit Zuhause.
Dieses Mal war´s anders. Erst kam "sie", dann erschien "er" in der Tür und in Begleitung eine Pflegin - wie üblich osteuropäischer Herkunft, wie üblich freundlich und sympathisch und wie üblich hübsch, wenn nicht sogar attraktiv. Egal, das war Nebensache.

Frau S. kam zu meinem Wagen und bat mich, doch ihrem Mann zu helfen, er käme auch mit der Pflegerin nicht zum Auto, da er schwer gehbehindert war.
Das Paar war Stammkunde bei uns und daher verzichtete ich darauf, jetzt schon das Taxameter einzuschalten. Zudem hoffte ich darauf, daß diese Geste mir selbst beim Bezahlen ein paar Bonuspunkte einbrächte.

Zusammen mit der Pflegerin brachten wir Herrn S. ins Auto, wobei ich die meiste Arbeit einbrachte, da Herr S. mehr oder weniger in den Sitz gehievt werden musste. Dieses konnte die Pflegerin mangels Körperkraft nicht leisten. Die Aktion dauert gefühlte 5 Minuten und als es endlich los gehen konnte, entspann sich zwischen Herrn und Frau S. erst einmal eine kleine Diskussion, wo wir nahe der angegebenen Adresse denn halten wollten. Sie gab an, ich solle in die Tiefgarage des REWE-Marktes fahren, er wischte das vom Tisch und nannte mir eine Parkbucht ausserhalb des Geländes. Dabei machte er klar, daß das die entgültige Entscheidung sei und von ihr kam keine Gegenwehr mehr.
Dort angekommen, ging die Aktion von vorne los: Abgurten, heraus ziehen, Gehwagen bereit stellen, etc.
Als es jedoch ans Bezahlen ging, zeigte sich, daß man eben KEINE Bonuspunkte sammelt, wenn man gewissen Kunden entgegen kommt..--((. Gibt man einem Kunden etwas "Rabatt" (indem man z.B. die Uhr später anstellt, wie in diesem Fall), will er noch weniger bezahlen, indem er sogar den Tipp gering ausfallen lässt, obwohl hier zweifelsohne von mir eine gute Dienstleistung erbracht wurde!

Man sieht sich immer zweimal!

Und das schneller, als ich erwartet hatte. Denn gerade als ich aus Lübeck zurück war, wollte Ehepaar S. wieder abgeholt werden. Na, so ein Zufall!

Die Abholadresse lautete "REWE-Tiefgarage", am Ausgang zum Einkaufszentrum. Dort hielt ich, schaltete sofort die Uhr ein und ging die ca. 50 m bis zum Aufzug, wo man mich erwarten wollte. Und auch tat. Aber es war die falsche Tiefgarage, wie sich herausstellte. Es gibt im CCR nämlich 2 Garagen, eine vom Einkaufszentrum und eine, die zum Hotel gehört. Letztere war gewollt, erstere war bestellt. Von wem auch immer. Frau S. war entsetzt.
  • "Das ist viel zu weit für meinen Mann! Schon als Sie uns hierher gebracht haben, war das viel zu viel für ihn zum Gehen...!"
  • "Tut mir leid, aber ihr Mann hat mich gebeten, dort zu halten."
  • "Darauf müssen Sie nichts geben... Er ist ein bißchen "Plemplem", wenn Sie verstehen, was ich meine..!" und zeigte mit dem rechten Zeigefinger an ihre Stirn.
Mir fiel erst mal keine wirkliche Antwort ein. Ihr Mann hat einen Dachschaden, aber sie lässt ihn widerspruchslos mir ein falsches Ziel geben???

Lange Rede kurzer Sinn, ich ging zum Auto zurück, umrundete das CCR und fuhr durch die Hoteltiefgarage noch einmal an. Mit Uhr natürlich. Der Fahrpreis war natürlich um einiges höher, aber das war mir eine Genugtuung. Denn der Tipp fiel, trotz gleicher Leistung beim Ein- und Aussteigen, genaus knapp aus.

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Vom Wellental kommt man automatisch auch wieder auf einen Wellenkamm. So kam´s dann auch noch am Nachmittag ich fand für diesen Arbeitstag noch einen versöhnlichen Abschluß..--))

Für oben beschriebene Kunden habe ich nun einen neuen (internen) Begriff gefunden: die Plemplem-Adresse..--)). 

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Kommentare

  1. Weißt du, was mir in diesem Artikel nicht gefällt? Das ist die ständige Verwendung des Begriffes "Tipp" statt "Trinkgeld". Wir sind hier in Deutschland und das darf sich auch in Begriffen widerspiegeln.
    Entschuldige, Marco, aber das ist mir wichtig!

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  2. Da muß ich Marco in Schutz nehmen, da es unter Taxifahrern so genannt wird. Wir machen allerdings den Fehler, es oft mit zwei " P " zu schreiben.
    Guckst Du hier: http://www.magazinusa.com/us/info/show.aspx?unit=inside&doc=74&dsc=Tip_bedeutet_Trinkgeld

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    1. Ich muss euch Beiden zustimmen. Einerseits verwende ich sehr ungern Begriffe aus "fremden" Sprachen, wenn die eigene auch ein Wort dafür hat.
      Andererseits hat sich der Begriff "Tip" (ohne 2 "p", danke!) inzwischen so eingebürgert, daß selbst ich ihn nun übernommen habe.
      Es klingt irgendwie netter und nicht so nach "Bettelei". In den USA habe ich mal einen Aufkleber gesehen: "Don´t forget the tip!" stand da auf einem Schild im Taxi.
      Stellt euch vor, wir würden "Bitte vergessen Sie das Trinkgeld nicht!" hinkleben..--)). Käme vielleicht bei den Deutschen nicht so gut an.

      Aber "Tip" hört sich netter, freundlicher an.

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    2. Genau das steht auch in einigen Hamburger Taxen, unglaublich aber wahr. Noch schlimmer sind die Schilder einiger " Kollegen ": Anschnallen und Klappe halten.

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    3. Übel, übel. Auch wenn wir auf "Tip" angewiesen sind - so etwas gehört nicht ins Auto.

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