Auf schmalem Grat

Selten hat mir ein Blogbeitrag so aus der Seele gesprochen, wie der gestrige von meinem Kollegen Sven-Erik. Er hat am gleichen Tag ein ähnliches Erlebnis in Sachen "Service" gehabt. Nur in einem etwas anderen sozialen Umfeld.

Eigentlich bin ich am Wochenende gar nicht unterwegs, aber da ich letzten Montag frei hatte und gleichzeitig mein Chef für den gestrigen Samstag noch einen Fahrer brauchte, war das eine gute Gelegenheit, den Tag wieder rein zu arbeiten.
Auch wenn ich das nicht jedes Wochenende haben müsste, aber Samstag oder Sonntag Taxi zu fahren ist meistens interessant und bringt Spaß.

So war auch dieser Samstag ein guter Tag. 3 Flughafentouren, 2 mit Pkw 1 mit unserem "Bus" - alles passte. Ganz zum Schluß - ich hatte mich eigentlich schon abgemeldet - kam über Funk noch die Bitte, ein "kleine Ortstour" in Wentorf zu fahren.
Kein Thema. Die Kundin wollte mich auf dem Parkdeck des "Casino-Park"-Einkaufszentrums erwarten. Was sie auch tat. Ein Frau I. sollte es sein und dem vollen Namen nach, kam sie wohl eher aus südlichen Gefilden. Und zwar aus einem Gebiet der Erde, dessen Einwohner ich nicht sonderlich mag, weil es sich um einen Kulturkreis handelt, mit dem ich absolut nichts anfangen kann. Nein, es ist nicht die Türkei. Deren Menschen mag ich, wir haben auch Kollegen von dort, mit denen ich sehr gerne zusammen arbeite.

Oben auf dem Parkdeck stand Frau I.: mittelgroß, Kopftuch auf, ca. 120 kg schwer und einen übervollen Einkaufswagen vor sich. Die Kombination dämpfte meine Laune schwer, denn meine Erfahrungen mit Fahrgästen aus diesen Ländern sind eher negativ, insbesondere was die Bezahlung im Zusammenhang mit der Dienstleistung angeht.

Ich stieg aus, grüßte freundlich, erhielt ein Kopfnicken zurück und öffnete den Kofferraum. Frau I. blieb unbeweglich stehen. Was anderes hatte ich auch nicht erwartet. Ungelogen - als ich alle Einkäufe verstaut hatte, war der Kofferraum bis auf den letzten Kubikzentimeter voll und erste Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn.
Dann bewegte sich Frau I. doch: sie schob den Einkaufswagen zurück und sich selbst anschließend ins Taxi. Nach vorne, natürlich. Aufgrund ihrer Leibesfülle dauerte es etwas, bis sie das Gurtschloß fand.
Sie nuschelte den Namen ihrer Straße zu mir rüber und beim 2. Anlauf verstand ich ihn auch.

Eines nahm ich mir schon nach 50 Metern Fahrt vor: wenn sie erwartet, daß ich ihr die Einkäufe an die Tür bringe, dann würde ich ihr freundlich mitteilen, daß so eine Dienstleistung in diesem Umfang nicht im Fahrpreis inbegriffen sei (Zitat Blogeintrag "Taxi Hamburg": Immer erst kassieren und dann gibt es eine entsprechende Dienstleistung.. )
Sie telefonierte kurz, vielleicht um sich mit den Einkäufen Zuhause anzukündigen? und nach 4 Minuten standen wir vor ihrem Wohnblock. Niemand erwartete sie.

Die 5,40 € Fahrpreis rundete sie - ich war überrascht! - auf 6 € auf. Das war für´s minutenlange Einladen grenzwertig, aber immerhin... Die Höhe des "Zuschlags" liegt ja immer noch im Ermessen des Kunden. Nur - dann liegt der Umfang der abschließenden Dienstleistung aber auch im Ermessen des Taxifahrers..--)).

Ich lud die gefühlten 100 kg Einkäufe aus dem Wagen, reihte sie am Bordstein auf und verabschiedete mich. Es kam kein Protest, keine Bitte, die Taschen vor die Tür zu bringen.
Darauf war ich auch nicht scharf gewesen.

Ungeachtet dessen, wo diese Frau herkam - im Allgemeinen lässt die Bereitschaft, Dienstleistungen zu bezahlen stark nach. Im gleichen Maße müssen wir Taxifahrer - und auch andere Erbringer von solchen Leistungen - uns überlegen, ob und in welchem Maße wir noch bereit sind, sie auch zu bringen.

Denn wer mit der "Geiz ist geil"-Einstellung in einen Media Markt geht, kann auch nicht erwarten, daß ihm der Verkäufer den Fernseher auch noch umsonst nach Hause bringt, oder?

Man bewegt sich in unserem Beruf in solchen oder ähnlichen Fällen, wie oben beschrieben, immer auf einem schmalen Grat zwischen Kundenservice und Selbstachtung, das ist mir klar. Im Zweifel aber entscheide ich mich immer für die Selbstachtung.

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Kommentare

  1. Genau und ich hoffe wir haben es jetzt beide begriffen.
    Service gern, aber nicht kostenlos.

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