Augen zu und durch...!

Der Beruf bringt es automatisch mit sich, daß man im Laufe der Jahre
sich ein dickes Fell zulegt. Aber ab und an gibt es dann noch wieder
Situationen, an denen es nicht dick genug ist.

Aber der Reihe
nach. Sonntag Tagschicht - eine meiner Lieblingsschichten. In der Früh
wurde schon "sportliches" von mir verlangt. Eine alte Dame sollte aus
dem Nachbarort zu einem Autobahnparkplatz nahe Bad Oldesloe auf der A21
gebracht werden. Abholzeitpunkt 7.45 Uhr, Abfahrt des Busses um 8.20
Uhr. Puhh. Ambitionierte Fahrtzeit für dieses Strecke. Grob geschätzt
braucht man - bei Einhaltung der StVO - gut 40 Minuten. Also, rauf in
den 1.Stock, Gepäck getragen, im Auto verstaut und los ging´s. Die StVO
habe ich gedanklich gleich nach hinten geworfen. Hält nur auf...
Das letzte Stück nach Tremsbüttel ist die B404 und die A21. Auf
ersterer ist aufgrund der Unfallhäufigkeit Tempo 70 angesagt. Egal. Es
war Sonntag, 8 Uhr morgens, mein Auto war das einzige weit und breit. Im
Tiefflug den Übergang zur A21 genommen. Noch 3 km bis zur Ausfahrt und
die Uhr zeigt 8.16 Uhr.. Um 8.18 Uhr erreichte ich Tremsbüttel,
wechselte hier die Fahrtrichtung und fuhr zurück Richtung Hamburg /
Berlin. Kurz hinter der Auffahrt befindet sich dann der Parkplatz, auf
dem der Bus bereits wartete. Geschafft. Es war 8.19 Uhr und der Fahrer
war schon etwas nervös.

Wie schon den ganzen Vormittag, war auch
um die Mittagszeit viel zu tun. Tour annehmen, fahren, nächste Tour. So
sollte ich um 11.50 Uhr im Nachbarort sein, hielt mich aber um 11.40
Uhr noch in HH-Bergedorf auf. Als ich um 11.51 Uhr in die Straße des
Kunden einbog, sah ich ihn auch schon an seinem Haus stehen und -
telefonieren. Den kannte ich doch! Schon 2 x hatte ich diesen Menschen
zum Hauptbahnhof gefahren und jedes Mal hatte er sich vorher bei der
Zentrale über die "Unpünktichkeit" beschwert. So auch dieses Mal. Ich
stieg aus, grüsste, bekam aber nichts zurück außer einem Schwall von
Vorhaltungen und die - übliche - Ankündigung, er werde jetzt das
Taxiunternehmen wechseln. Ich fragte mich im Stillen, warum dieser
Pünktlichkeitsfanatiker denn mit der Deutschen Bahn fahren wollte??? In
jedem Fall hat er wohl in all den Jahren nie begriffen, daß ein
Taxiunternehmen kein Zigarettenautomat ist. Drauf drücken und ein Taxi
kommt raus - das gibt´s nicht.
Meinen Hinweis, es sei erst 11.52 Uhr
wischte er mit dem Worten beiseite, es käme nicht "..auf 1 oder 3
Minuten an..", sondern es gehe um´s Prinzip.
Er textete mich noch
ein paar Minuten voll, redetete dummes Zeug über Taxi-Tarife usw. und
ging mir mehr als nur auf die Nerven. In diesem Moment bedauerte ich,
daß heute nicht mein letzter Arbeitstag war....
Da wären mir doch ein paar deutliche Erwiderungen eingefallen. Während
der Fahrt versuchte ich mich in Atemübungen, um wieder auf Normalniveau
zurück zu kommen. Es klappte aber erst, als endlich ausstieg.

Der
Tag wurde aber noch noch abgerundet von 2 netten alten Damen, die zu
einem kleinen Fest fuhren. Die eine, neben mir sitzend, war nicht ganz
so entspannt beim Fahren. Das merkte ich an einer Ampel, die ich bei
leicht gelber Farbe überquerte. "Das waaar geeehelb...!" Ja und? Sie
lächelte. Gut 200 m weiter bremste ein vor mir fahrender Wagen.
"Uuuiiiii....!" stieß sie aus. "Rrruuhig bleiben..!" erwiderte ich. Sie
lächelte erneut.
Offenbar gefielen ihr meine Fahrkünste, das merkte ich bei der Bezahlung am Zielort..

Es wurde mir heute mal wieder die ganze Palette der menschlichen Psyche geboten. Das macht die Sache interessant.