Fahrt ins Blaue?!

Wie unterschiedlich Tag- und Nachtschichten sind, wurde mir in der vergangenen Nacht wieder deutlich. Obwohl ich inzwischen am liebsten tagsüber fahre, so sind die Nächte doch das "Salz in der Suppe".

Tagsüber fährt man zumeist brave Omi´s, eilige Geschäftsleute, entlassene Krankenhauspatienten, usw. oder ärgert sich über Ordnungswidrigkeits-Vermeider (siehe vorherigen Artikel + Kommentar). Nachts begegnet man dann den "Creatures of the night"..--)). Natürlich. Wann auch sonst?

Gestern Abend, 21.20 Uhr. Bestellung auf den Parkplatz eines großen Supermarktes. Obwohl ich schnell vor Ort war, hatte ich zuerst den Eindruck, ein Konkurrent hätte mir den Fahrgast vor der Nase weggeschnappt. Niemand da. Eine Nachfrage bei der Zentrale wegen der Adresse ergab, daß die Dame sich gerade auf den Weg nach unten machte. Auch gut. Dann kam sie. Schlanke Typ, jenseits der 60 und mit einem etwas holprigen Gang mit eingelegtem Ausfallschritt... Ausfall war dann auch der richtige Begriff, denn die Dame - so stellte es sich beim Einsteigen heraus - war hochgradig alkoholisiert. Und sicher nicht von Bier oder Wein.

Den folgenden Dialog muß man sich so vorstellen: ich spreche im normalen Tonfall, anfangs geduldig, später angenervt. Sie redet in einer Zwischenlautstärke, nicht laut, nicht flüsternd und leicht schleppend und manchmal zischend.
"Guten Abend!"

"´nn Aaabend..!"

"Wo darf´s denn hingehen?"

"Ffffaahren Sie einfach los."

"Gern, aber in welche Richtung?"

"Sssag´ ich Ihnen dann schon.... Erst mal linksss. Hat ihnen ihre Zentrale nichts gesagt?"

"Nein. Das wird am Funk selten gemacht."

"Issst auch gut so. Für ihre eigene Sicherheit!"

War ich in einen Tatort gelangt? Versteckte Kamera? Oder war sie wirklich vollkommen durchgeknallt? Kam nun gleich einer um die Ecke mit gezogener Waffe und wollte sie entführen? Na ja, wenn ich´s mir so überlege, warum nicht..?

Wir fahren eine Minute. Dann versuche ich es wieder.
"Ich möchte gerne wissen, wohin wir fahren. Fahrten ins Blaue sind nicht mein Ding."

"Sie werden es dann schon sehen."

Nun reicht´s. Ich drücke die Funksprechtaste.
"Zentrale?! Kannst du mir bitte das Fahrziel der Damen nennen? Sie weigert sich, es mir zu verraten."

Meine Funkerin antworte prompt.
"Ja, klar. Nach Aumühle"

"Danke!"

Die Dame neben mir verdreht die Augen und zieht zischend die Luft durch die Zähne. Wir fahren 2 Minuten. Sie kramt währenddessen umständlich in ihrer Tasche.
"Bleiben Sie bei diessser Geschwindigkeit."

Ich hatte nichts anderes vor.
"Und jetzt ´runter auf 50 km/h!"

Erste Verweigerung. Ich fahre erst dann (ungefähr) 50 km/h, wenn ich im Ort bin, nicht vorher.
"..und nun maximal nur noch 20 - 30 km/h..!"

"Nein. Ich fahre im normalen Tempo, solange Sie mir nicht präzise Ihr Ziel nennen!"

"Biieegen Sie da vorne rechtssss ab."

Sie nennt mir die Straße. Und endlich wird mir klar, wohin sie möchte. Ein Senioren-Wohnstift.
"Laaangssammm bremsen. Nicht ruckartig stehen bleiben!"

Wir stehen vor dem Eingang des Wohnstifts. Alles wie ausgestorben. Sie blickt durch die Windschutzscheibe in die Höhe. Als wenn sie eine höhere Macht anrufen wollte.
"Iccchhh brauche 9 Minuten, um die Sache zu regeln. Warrrten sie bitte hier."

"Mach´ich gerne, aber vorher hätte ich noch die Fahrt von Ihnen bezahlt!"

Fehlte mir auch noch, daß sie ohne zahlen aussteigt und ich sie dann doch nie wieder sehe. Sie macht nämlich schon Anstalten auszusteigen. Nach ziemlich genau 10 Minuten kommt sie wieder. Ohne Tasche, nur im Pullover.
"Essss dauert sicher nochmal 10 Minuten, bis ich fertig bin. Aber ich werde hier nicht die Nacht verbringen..!"

Wo sie die Nacht verbringt ist mir eigentlich schnurz-egal. Ich mache ihr klar, daß ich nicht weiter warten kann, denn wir haben viel zu tun. Sie solle doch bitte einfach wieder anrufen, wie holen sie dann ab, biete ich ihr an.

Sie ruft nicht wieder an. Den ganzen Abend geht kein Auftrag mehr raus, der mit Aumühle zu tun hat.

Die weitere Nacht vergeht mit neugiergen, betrunkenen Ukrainierinnen, einem Handwerker, den seine Frau offenbar nervt und der sich deshalb in der Kneipe betrunken hat. Einem jungen Mann, der sich über einen Freund ärgert, der angeblich von seiner Freundin ausgenutzt wird. Des weiteren mit einer Dänin, die sich über Rutsch- und Stolpergefahren auf Einfahrten auslässt und mit einem Mann meines Alters, der seine Freundin allein in einer irischen Kneipe sitzen lässt, um alleine in einer anderen, herunter gekommenen Trinker-Halle den Rest des Abends zu verbringen.

Letzterer - und noch ein anderer Fahrgast - wollten mir ihr Mitleid über meinen angeblichen "Scheiß-Job" zeigen...--)) Und beide waren vollkommen überrascht, als ich ihnen die Vorteile und den Spaß schilderte, den ich in Wirklichkeit dabei habe..!



Kommentare

  1. Ist ja kein Wunder, wenn die alte Dame so neben der Spur ist: Ein Getränk, bei dem sich sogar der Glasboden durchbeult ist wahrlich nicht leicht zu händeln.

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  2. Ich denke, sie war schon zuvor neben der Spur..--)).

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