Zurück zum Basisprogramm

Einige Stammkunden sind lern-resistent. Der Meinung bin ich inzwischen und stütze mich auf meine jüngste Erfahrung mit einem "netten" Doktor der Juristerei und den anschließenden Gesprächen mit den Kollegen.

Dienstagmorgen, 6.00 Uhr. Die Funk-Kollegin gibt mir noch im Büro die erste Tour: Dr. P. aus Reinbek möchte um 6.30 Uhr zum Hauptbahnhof. Zum Festpreis, also ohne Uhr. Prima, dann habe ich doch glatt noch Zeit, mir den üblichen Morgenkaffee zu holen und mein Frühstück zu "geniessen". Ich bekomme noch ein paar Tipps mit auf den Weg:

  • Pünktlich sein (bin ich immer!)

  • Ruhig fahren (tue ich sowieso)

  • Radio und Funk ausmachen (ach nöö.., nun hört das Verständnis auf..)


Es ist 6.20 Uhr als ich vor Dr. P.`s Haus eintreffe. Pünktlich, 10 Minuten später, kommt er heraus und setzt sich nach hinten. Kurz darauf quäkt es von dort:

  • "..Haben Sie kein anderes Licht als diese Funzel..?"


Klar, ein Fackel könnte ich noch anbieten...!?

  • "Nein, leider ist das bei diesem Model so schwach."

  • "Warum schickt man mir denn so einen alten Wagen..?"


Unverschämt. MEINEN schöner E-Klasse Kombi nennt er "alten Wagen"?

  • "Tut mir leid, aber ein anderes Auto war nicht frei" lüge ich ihn an.

  • "Aber Ihr Chef weiß doch, daß ich immer während der Fahrt lese..!"


Chef liegt noch im Bett, will ich ihm sagen.

  • "Möchten Sie zu mir nach vorne kommen? Hier ist die Lampe stärker."

  • "Stört Sie das nicht?"

  • "Nein, kommen Sie. Ich halte an und Sie wechseln."


Bin selber überrascht von meiner Freundlichkeit diesem Snob gegenüber. Er steigt um, ich mache ihm die Leseleuchte vorne an. Na ja, besser als hinten auf alle Fälle. In den nächsten 5 Minuten hat Dr. P. nichts zu meckern. Dann aber - wir biegen auf die B5, die Bergedorfer Straße, Richtung Innenstadt ab. Ich überhole eine Lieferwagen, der auf der rechten Seite nur sehr zäh voran kommt.

  • "Fahren Sie bitte rechts. Dieses links fahren mag ich nicht."

  • "Ich überhole den Lieferwagen. Den mag ICH nicht."

  • "Ja, ja, verstehe.."


Die B5 ist zwischen Bergedorf und Billstedt eine Art Stadtautobahn und man kann, sagen wir mal, recht zügig voran kommen. Wenn man nicht Dr. P. an Bord hat.

  • "Ich hasse diese Raser, die immer schneller als 80 km/h hier fahren!"


Oh nein. Kein normaler Mensch achtet hier auf die Geschwindigkeits-Schilder, hier geben alle Gas und es funktioniert prima. Aber gut, ich halte den Benz auf 80 und klopfe geistig schon mit den Fingern auf´s Armaturenbrett. Wo bleibt der Hauptbahnhof??? Nach 25 Minuten Fahrtzeit (gefühlt: 50 Minuten) biege ich auf den Parkplatz Kirchenallee am Hauptbahnhof ein. Nach all den Besonderheiten und Freundlichkeiten die ich Dr. P. zuliebe an den Tag gelegt habe, kommt er meiner Ansicht nach um ein angemessens Trinkgeld nicht herum.

Weit gefehlt. Dr. P. wünscht mir noch einen schönen Tag und entschwindet Richtung Deutsche Bahn. Das Wort, das ich ihm gedanklich hinterher schleudere, kann sich jeder vorstellen.

Zurück in Reinbek erzählen mir die Kollegen von ihren Erlebnissen: Fahrten über 3 Stunden von Gericht zu Gericht, zu Restaurants mit Freunden an deren Ende seine Bekannte aus Mitleid dem Taxler ein Trinkgeld (heimlich) zusteckt, weil Dr. P. vorher ebenfalls keinen Cent ´raus rückte.

Mittlerweile gibt es kaum noch Kollegen, die "Hier!" schreien, wenn die Adresse von Dr. P. über Funk vermittelt werden soll. Warum auch? Der Mann will erstklassigen Service und zahlt den Basistarif. Wo gibt´s sonst so etwas?

Ich bin der Ansicht, im Taxi-Fahrpreis ist das Auto, der Fahrer, Freundlichkeit und Pünktlichkeit inclusive. Vielleicht auch die Einsteigehilfe für hilfsbedürftige Fahrgäste. Aber alles darüber hinaus sollte auch extra "vergütet", bzw. honoriert werden.

Mit Sicherheit hat MEIN Funk demnächst eine Störung, wenn Dr. P. aus R. mal wieder ein Taxi bestellt...--)). Und wenn´s mich doch erwischt, dann fahre ich nur noch das Basisprogramm!

Kommentare

  1. Oh Gottchen NEIN, Marco! Sei nicht so unwirsch mit dem Herrn. Der meint das doch nicht so. Und bestimmt hat er auch eine schlimme Kindheit gehabt! Du weißt doch, so was entschuldigt noch ganz andere Sachen.

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  2. Du hast ja so Recht, Bernd. Mit diesem Argument ist schon so Mancher sogar vor Gericht durch gekommen. Ich werde ihn demnächst auf seine Kindheit ansprechen und ein sozialkritisches Gespräch führen. Das ist quasi ein Steckenpferd von mir..--))

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