Highlights

Wie schon öfters erwähnt, gibt es auch in meinem abwechslungsreichen Berufsleben Tage, die so monoton verlaufen, wie das Wetter im November. Aber wenn man nicht mehr damit rechnet, begegnet man wieder Menschen, die einen entweder zum Schmunzeln oder zum Nachdenken bringen.

So wie in der vergangenen Woche. Der Montag verlief so "na ja", ohne Besonderes. Am Dienstag Mittag brachte mich dann ein zuerst 08/15 - Auftrag wieder in die Spur. Das Krankenhaus Reinbek bestellt ein Taxi für einen Patienten, der entlassen werden soll. Ich fuhr hin, suchte und fand seine Station und stieß erst einmal auf eine kleine, hübsche, aber ziemlich schnippische und genervte Krankenschwester, die ihren Patienten - meinen Fahrgast - wohl los werden wollte. Ein recht ungepflegt und ziemlich "ungebildet" wirkender Mann Mitte 30 (korrekt würde man heute sagen: "..aus bildungsfernen Schichten.." ).Sie hievte ihn in seinen Rollstuhl und herrschte mich (!) an:

  • "..Könnten Sie vielleicht mal seine Tasche da wegnehmen..?"

  • "Klar, doch. Ich habe nur auf Ihre Anweisungen gewartet..--))!"


Das brachte mir den bösesten Blick ein, den sie wohl in der Lage war, abzufeuern. Uuuh.. die war gut drauf. Aber was kümmerte mich das? Ich war nicht da, um Freunde zu finden, sondern um ihren Patienten abzuholen. Ausserdem mache ich eines grundsätzlich nicht: unaufgefordert in Krankenzimmer zu gehen. Das ist Sache der Krankenschwestern, aber nicht meine. Ab der Tür "gehört" der Fahrgast dann mir.

Es stellte sich sehr schnell heraus, daß Herr B. zum einen, zufälligerweise, in die kleine Reha-Einrichtung in meinem Heimatdorf sollte und zum anderen nicht aus fehlender Bildung oder zweifelhafter Herkunft etwas merkwürdig wirkte, sondern durch einen Schlaganfall seit 6 Jahren an dessen Folgen litt. Er war LKW-Fahrer im früheren Leben und kurierte nun seit langem in einer Mischung aus betreutem Wohnen und Reha-Zentrum an diesem Schicksalschlag herum. Während der Fahrt kamen wir ins Gespräch, ich hatte auch das Gefühl, er war froh mit jemandem darüber reden zu können. Was ich hörte, brachte mich sehr schnell zu der Erkenntnis, wie gut es mir und uns allen, die gesund sind, geht.

Ich fragte mich, wie man einen jungen Menschen in ein 500 Einwohner Dorf wie meines bringen konnte? Wie soll jemand in einer solchen Umgebung gesund werden, bzw. nicht in Agonie oder Depressionen verfallen? Er kam sich ganz offensichtlich abgeschoben vor und ich bestärkte ihn darin, doch einen Antrag auf Verlegung nach Hamburg oder zumindest nach Mölln zu stellen.

Zurück in Hamburg wechselte ich für eine Tour dann vom Seelsorger zum Zuhörer. Eine 83-jährige Kundin durfte das Krankenhaus nach eine Herzinfarkt verlassen. Die alte Dame war im Kopf noch rüstig und wir unterhielten uns sehr nett, bzw. ich hörte ihr einfach nur gut zu. Zum Dank dafür und weil ich ihr noch ihre Tasche bis zur Tür brachte, rundete sie den Fahrpreis grosszügig auf den nächsen 10er-Betrag auf. Wow. Und wieder wurde mir meine eigene, positive Situation bewusst.

Die Aufträge, die einen zum Schmunzeln bringen und Fahrgäste kurz stutzig machen, liebe ich allerdings noch mehr. Am Mittwoch befördete ich einen Herren in das Marienkrankenhaus Hamburg. Flotte Fahrt, nettes Gespräch. Er stieg aus, ich füllte meinen Touren-Zettel aus, da klopfte es an meiner Scheibe. Ich öffnete.

  • "..Entschuldigung, sind Sie LEER..?"


Meine erste mir einfallenden Reaktion schluckte ich gerade noch hinunter.

  • "..Nein, ich bin sternhagelvoll, aber steigen Sie trotzdem ein..!"


Stattdessen fragte ich ihn, wohin er denn möchte. Eine Tour quer durch Hamburg nach Pinneberg o.ä. wollte ich nicht machen. Aber er musste in ein Dorf östlich von Hamburg. Das war natürlich meine Richtung. Hier bitte ich die mitlesenden Hamburger Kollegen mal ein Auge zuzudrücken und mir dieses Kavaliersdelikt, nämlich als auswärtiges Taxi einen Fahrgast IN Hamburg aufzunehmen, zu verzeihen.

Gestern Nachmittag hörte ich dann den fast schon üblichen Satz, bevor ein Fahrgast einsteigt. Der Auftrag lautete, eine ältere Dame in der Eingangshalle des Krankenhauses abzuholen. Ich ging die Stufen hinunter und entdeckte sie schon mit Tasche vor der Tür stehen.

  • "..Sind SIE das bestellte Taxi..?"


Dieses Mal konnte ich es mir nicht verkneifen.

  • "..Nein, ich bin der Fahrer. Das Taxi steht oben und wartet..!"


Ihr Blick war sehenswert. Kurz irritiert, dann huschte ein Lächeln darüber.

Ich habe mir vorgenommen, jetzt immer so zu antworten. Das schafft zuweilen auch schon mal eine lockere Atmosphäre gleich zu Anfang der Fahrt. Oder auch nicht.

Zu guter Letzt noch eines: wenn man nachts schon vom Job träumt, so wie ich Vorgestern, und Situationen realistisch erlerbt, hat man dann einen "Traumjob"??

Kommentare

  1. Klare Antwort, Marco: Wenn´s ein Albtraum war, hast du einen Albtraumjob! Ansonsten ist es nicht zwingend.
    Zu dem Begriff ´Argonie´ habe ich leider keine Erklärung gefunden. Ist das eine Krankheit, die erstmalig bei Iasons Argonauten auftrat? ;-)

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  2. Es war KEIN Albtraum, von daher gehe ich vom Positiven aus..--)) Der Begriff "Argonie" bedeutet soviel wie "Handlungsunfähigkeit".

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  3. Ich denke es ging darum dass es "Agonie" heisst ;)

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  4. Richtig, hier ist mir ein Tippfehler unterlaufen. Danke!

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