Oldie´s on the road

Das Winterwetter hat im Taxigewerbe einen besonderen Effekt: das Durchschnittsalter der Fahrgäste steigt! Und zwar mächtig. Am Mittwoch kam, wie alle wissen, viel Schnee nach Deutschland. Nun gut, der Begriff "viel" ist ja relativ. Die Skandinavier würden über 10 - 12 cm Neuschnee, wie hier in Norddeutschland, eher milde lächeln. Bei uns beherrscht diese geringe Menge schon die Schlagzeilen der Zeitungen und die Sendezeiten der Nachrichten.

Schon am Mittwoch Vormittag, es lag eine zarte Puderzucker-Schicht auf den Wegen, stieg die Anzahl der Senioren in unseren Fahrzeugen. Zum Einkaufen hier, zum Arzt dort und zum Schluß noch zur Senioren-Weihnachtsfeier. Das war allerdings erst am Donnerstag. Als der Schnee schon die Straßen und Wege "..meterhoch.." bedeckte.

Zwei alte Damen nannten mir als Fahrtziel eine offenbar kirchliche Einrichtung, die ich überhaupt nicht kannte. Da sie aber Straße und Hausnummer wussten, stellte das dann natürlich kein Problem dar. Während ich noch nach der Nummer suchte, wurden die beiden schon nervöser.

  • "..Jetzt müsste es gleich..."

  • "..Nein Else, weiter vorne.."

  • "..Ich weiß nicht.."


Ich verließ mich auf meine Augen und auf die Haunummer. Da plötzlich von hinten ein lauter Ruf:

  • "..Hiiiieer müssen Sie ´rein..!"


Die Nummer am Haus passt zwar nicht, aber wenn die beiden das sagen... Ich bog ab. Auf einen kleine Parkplatz.

  • "..Jaa, was machen Sie denn da..? Hier doch nicht!"

  • "..Sie haben doch gesagt: hier!"

  • "..Nein, nein, wir meinten die nächste Einfahrt..!"


Also, rückwärts wieder raus. Welch ein Spaß bei diesem Wetter! Nächste Einfahrt hinein, langsam die recht steile, kleine Steigung hinauf und die beiden Omi´s vor die Tür gefahren. Die Begeisterung darüber schlug sich aber leider nicht im Trinkgeld nieder. Macht nichts. Den Benz langsam wieder vom Grundstück bringen, das war das Problem. Denn Einfahrt war nicht gleich Ausfahrt! Diese ging auf eine Nebenstraße und war noch steiler, als die Einfahrt. Ich musste also mit viel Finger-, bzw. Fußspitzengefühl eine Balance zwischen Rutschen und Fahren finden.

Geschafft. Die Zentrale suchte schon einen Wagen für den nächsten Auftrag. Ich meldete mich und fuhr zu einer mir schon bekannten Adresse, in der eine betagte Stammkundin wohnt. Dort angekommen, wackelte sie auf mein Auto zu, ließ sich erleichtert hinein fallen und nannte mir ihr Ziel: die selbe Weihnachtsfeier, zu der die beiden vorherigen alten Damen schon wollten. Oh nein!! Also, gute Miene zum miesen Spiel machen. Ich nahm mit mehr Schwung die Einfahrt und setzte Om´chen direkt vor der Tür ab. Dieses Mal wurde mein Einsatz belohnt..--)). Einen weiteren Auftrag zu diesem Taxi-Abfahrtslauf gab es zum Glück nicht.

Während die gesunden Fahrgäste meistens die Wahl haben, ob sie Auto, bzw. Taxi fahren oder nicht, sind unsere Dialyse-Patienten nicht so gut dran. Unter diesen gibt es auch ein paar schon recht greise Kandidaten. Manche sogar, die schon um die 90 Winter gesehen haben. Wie z.B. Herr H. aus Reinbek. Er möchte immer direkt vor der Tür, bzw. in seiner Einfahrt abgeholt werden. Das Gehen ist nicht mehr so sein Sport. Gestern fuhr ich als brav die kleine Rampe hoch. Er kam heraus und da er eigentlich nie Hilfe braucht und die angebotene immer kategorisch ablehnt, stieg ich auch nicht aus. Ein Fehler. Herr H. öffnete die Tür, ließ sich in den Beifahrersitz sinken - und verpasste diesen zur Hälfte! Mit einer Po-Backe saß er, mit der anderen schwebte er über dem Einstieg. Oha. Während meine Hand schon die Fahrertür öffnete, blickte er kurz rüber.

  • "..Bitte.., schnell..!"


So flott es möglich war auf seine rutschigen Einfahrt umrundete ich den Wagen, schob meine Hände unter seine Achseln und zog ihn hoch. Er wog nicht viel, daher ging das ohne Probleme. Da kenne ich andere Kunden, bei denen ich lieber einen Flaschenzug bemühen würde.. Das war nochmals gut gegangen.

Zu guter Letzt noch die Geschichte von "Trud´chen" und ihrer Freundin. Sie stiegen in der Stadtmitte ein und nannten mir als Ziel einen Augenarzt im benachtbarten HH-Bergedorf. Die vorne Sitzende, von ihrer Begleiterin "Trud´chen" genannt, hatte eine schlecht sitzende Perücke auf, mindestens die dritten Zähne und war 90 Jahre alt (eigene Angabe). Ihre Begleiterin war wohl um die 80.

Aber nicht nur die Perücke saß bei Trud´chen schlecht, nein, auch die Zähne. Sie war schwer zu verstehen.

  • "..Ccchhie kennen den Dochktor..? Gleich bei der Kirccchhe.."


Alte Menschen nennen oft als Orientierungspunkt eine Kirche. Für mich als Atheisten nicht gerade hilfreich. Und die genannten Kirche in Bergedorf kenne ich ich nur, weil gegenüber ein Steak-Lokal ist..--))

  • "..Natürlich. Die kenne ich."


Ich musste mich zwingen nicht auch "..Cchhhie kenne ich.." zu sagen.

  • "..Wiccchhhen ccchhie, Herr Docchhtor macht heute nur wecchhen mir Ccchhprechchtunde.."

  • "Cchho? Äh, so? Da haben Sie aber einen netten Doktor"


Wer´s glaubt. Mir war´s egal. Die Fahrt endete abrupt, als Trud´chen mir trotz meiner Ortskenntnisse den Weg wies (ich wäre natürlich anders gefahren) und mich beinahe in eine Einbahnstraße geführt hätte..--)). Sie gingen zu Fuß weiter.

Ccchhhönen Tacchh noch!

Kommentare

  1. Weißt du, was ich auch immer sooo nett finde: Wenn die dritten nicht so richtig sitzen oder dem Träger das Gefühl ihrer Anwesenheit generell Unbehagen bereitet und deshalb ständig "gezutscht" wird! (Das ist zwar ein sächsischer Ausdruck, aber vermutlich auch für andere Völker verständlich.) Bei solchen Fahrgästen geht mein Fuß schon rein automatisch auf´s Gas, denn das verkürzt die Leidenszeit.

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  2. Da muß ich voll und ganz zustimmen. Manchmal "klicken" die Dritten auch. Das kann ich nicht ausstehen. Meistens sind aber die Besitzer der Gebisse recht nett..--).

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  3. Ach Bernd, wenn das alles ist, was Dich im Alter "negativ" auffallen laesst, dass Du "zutscht", dann koenntest Du ja ganz zufrieden sein. Verstaendnis, TOLERANZ und RESPEKT vor dem Alter waere sicherlich eher angebracht. Aber das ist ja heute nicht mehr on vogue.
    Bloeder Beitrag, obwohl ich deine Taxi-Beitraege ansonsten sehr gerne lese, Marco

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  4. @Sabine: Wenn Bernd und ich den von dir angemahnten Respekt vor den Älteren nicht hätten, wären wir beide wohl in unseren Jobs fehl am platz und sicher schon gekündigt worden. Sich über Eigenheiten anderer lustig zu machen, heißt ja nicht, sie nicht zu respektieren.

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