Pathologie

Mein Verhältnis zu Krankenhäusern war immer schon etwas zwiespältig. Nicht, daß ich oft dort "Gast" gewesen wäre. Nein, es ist die Atmosphäre und der Geruch in diesen Häusern, den ich nicht sonderlich mag. Aber wer tut das schon? Jedenfalls, in der vergangenen Arbeitswoche bekam ich gleich eine Art Überdosis Krankenhaus. Aber lustig war´s auch irgendwie.

Es war Dienstag Mittag, als mich nahe des Flughafens der Anruf meiner Zentrale erreicht.

• "..Fahr doch mal bitte zur Aklepios Klinik in der Langenhorner Chaussee. Dort wartet ein Herr auf dich, den bringst du bitte nach...XY"

Heute heißt sie Aklepios Klinik, noch vor ein paar Jahren war es das Klinikum Ochsenzoll, bekannt für seine Psychatrische Abteilung..--(( Der nahegelegene U-Bahnhof Kiwittsmoor hatte die höchste Selbstmordrate in Hamburg. Es gibt U-Bahnfahrer, die sich eine Zeit lang weigerten, ab November bis nach Weihnachten die Strecke zu befahren. Zu schlecht waren die Erfahrungen.

Als ich dort eintraf, machte das Gelände und die herum laufenden Personen einen ganz normalen Eindruck. Nach kurzer Suche hatte ich Haus 3 gefunden. Ich parkte und ging die 100 m zum Haus zu Fuß. Als erstes kam mir ein alter Mann entgegen: Rauschebart (weiß), ledrige Haut und - eine Fliegermütze aus Leder auf dem Kopf! Er machte den Eindruck, als ob er auf der Suche nach seinem Doppeldecker war. Ich musste grinsen.

Gleich darauf der nächste Patient: mittleres Alter und eine Mimik, als ob er gerade eine Zitrone essen würde. Dazu ein nicht ganz heller Blick. Komische Gestalten gab´s hier. Im Haus angekommen, fiel mir als erstes das Treppenhaus auf.

 



Alles klar, oder? In die Station, in der mein Fahrgast wartete, kam ich nur nach Klingeln hinein. Ein Angestellter hatte hier die Schlüsselgewalt. Es wurden die schweigsamsten 45 Minuten meines Berufslebens. Zwei mal versuchte ich, ein Gespräch zu beginnen. Ausser ein paar undefinierbaren Knurrgeräuschen kam nichts zurück.

Tags darauf, erlebte ich eine Materialfahrt der besonderen Art. Eigentlich nichts Ungewöhnliches: eine CD aus der Radiologie Reinbek ins Marienkrankenhaus. Flotte Sache, eigentlich. Zwanzig Minuten Fahrt, 5 Minuten Abteilung suchen und zurück. Bei der Information fragte ich nach der Pathologie.

• "Da gehen Sie den Gang entlang, am Ende nach unten in der Keller und dann immer weiter, bis Sie zur Pathologie kommen."

Keller? Pathologie? Brr... Klingt nach einem Krimi mit blauen Licht und beschrifteten Anhängern um den großen Zeh.

Ich tat wie mir gesagt wurde. Den Aufzug sparte ich mir und ging zu Fuß hinunter. Dort herrschte ein merkwürdiges Licht. Und je weiter ich den Gang entlang lief, desto merkwürdiger wurde auch die Umgebung. Rohes Mauerwerk mit aufputz-verlegten Rohren und ein Geruch nach Formalin und normalem Lager-Muff. Ein paar Arbeiter mit blauen Anzügen und gaaaanz am Ende eine Stahltür. Auf der anderen Seite eine Treppe - nach oben. Ich war irritiert. Oben angekommen ein Schild: Materialannahme. Die jungen Frauen dort wirkten recht locker. Keine Spur von Grabesstille. Also, schnell wieder zurück. Halt! Dort ging eine Tür nach draußen. Die Aussicht, bei Tageslicht und Sonne zum Auto zurück zu kehren, war reizvoller, als der Kellergang. Tür auf und hinaus. Tür zu. Da stand ich nun in einer Art Innenhof und konnte mich überhaupt nicht orientieren. Wo war mein Auto?

Was soll´s. Doch lieber zurück durch den Keller. Ich drehte mich um und.. sah, daß die Tür von außen nicht zu öffnen war. Wäre ich jetzt im Untergeschoß, käme eine leichte Unruhe auf. Aber ich stand im Sonnenlicht und meine Augen fanden - zum Glück - eine Klingel. Tür auf und ab in den Keller, die Luft zum Teil anhaltend.

Als ich wieder an der Information vorbei kam, meinte ich zur Dame dort:

• "Schon merkwürdig, der Weg zur Pathologie."


• "Ja, aber normalerweise werden die Patienten dort auch liegend angeliefert und bekommen nichts mehr mit...--))"

Die Frau hatte schwarzen Humor.