Trinkgelder und ein menschliches Bedürfnis

In den letzten Tagen stelle ich fest, daß das Thema "Bezahlung" und "Trinkgelder" bei meinen ebenfalls schreibenden Kollegen Sasch, Mia und Torsten hoch im Kurs steht. Deshalb habe ich auch während der vergangenen Nacht meine Fahrgäste genau beobachtet. Es war wir immer, manche geben viel, manche wenig oder beleidigen einen nahezu mit 10 Cent. Letzterer Betrag wird meist mit den Worten "..Das ist dann schon O.k. so..!" gegeben. Der Ton soll besonders großzügig klingen. Wenn ich ehrlich bin, dann möchte in diesen Fällen lieber gar kein Trinkgeld. Das hätte mehr Charakter. Einen schlechten zwar, aber immer noch besser, als den Fahrer zu beleidigen, oder?

Zur Ehrenrettung unserer Fahrgäste - und hier meine ich nun explizit die, die mit unserer Firma fahren - muß ich eine, in unserem Kulturkreis hochgeschätzte, geschichtliche Person zitieren: "..Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun..!"

Warum? Ich stelle nämlich fest, daß die allermeisten Fahrgäste davon ausgehen, daß der Fahrer sowieso an jeder Fahrt mitverdient, über seine Umsatzbeteiligung. Kaum jemand weiß, daß wir in dieser netten Hamburger Vorstadt auf Festgehalt fahren. Das heißt, das schlechte Gewissen (sofern vorhanden), kein Trinkgeld gegeben zu haben, wird durch den Gedanken an den gezahlten Fahrpreis wieder kompensiert.

Natürlich nehme ich immer gerne den Ball auf, wenn Geld und Bezahlung im Gespräch angeschnitten werden. So auch heute Nacht. Ein Paar mittleren Alters ließ sich, gut angeheitert, nach Hause fahren. Erst wurde noch geblödelt und z.T. schrill gelacht (sie, hinten sitzend), aber als ihr Mann auf die Bezahlung von Taxifahrern ansprach, konnte ich nicht umhin, ihn auf unsere Besonderheit in Reinbek "hinzuweisen". Es wirkte. Die gern genommenen 10% Extrageld (vom Fahrpreis) überbot er am Ende. Danke!

Fazit: alles in allem bin ich mit meinen Fahrgästen und deren Extra-Bezahlung sehr zufrieden.

Wer von meinen Lesern nun noch auf ein Bonbon der letzten Nacht wartet, soll nicht enttäuscht werden.

Ich hatte um 20.00 Uhr das Vergnügen, eine Stammkundin nebst bester Freundin zu einem Nobel-Italiener im angrenzenden Ort Glinde zu chauffieren. Frau G. aus R. ist eine lebenslustige, quirlige, schwerreiche und sehr, sehr nette Frau Anfang 60. Ich fahre sie gerne.

Als wir um 20.20 Uhr vor dem Lokal hielten, bat sie mich, sie und ihre Freundin in genau 2 Stunden wieder abzuholen. Gesagt - getan. Um exakt 22.20 Uhr (fragt nicht, wie ich das hinbekommen habe!) hielt ich meinen Wagen wieder vor der Tür, ging hinein und bat den Kellner, Frau G. Bescheid zu geben. Mir war klar, daß die Beiden nicht sofort kämen, also stellte ich mich auf ein paar Minuten Wartezeit ein, ohne jedoch schon das Taxameter laufen zu lassen. Das wäre in diesem Fall zwar kein Problem gewesen, aber bei manchen Stammkunden sollte man es nicht übertreiben.

Die beiden polterten, laut schnatternd, aus dem Lokal, wir fuhren los.

  • "Oh, Sie Ärmster, haben wir Sie lange warten lassen..?"

  • "Nein, ist schon in Ordnung. Ich habe damit gerechnet."

  • "Der Kellner hat so lange für die Rechnung gebraucht."


Wahrscheinlich war diese so lang und der Betrag so hoch, daß er sich erst mal die Freudentränen aus den Augen wischen hat müssen...--))

  • "..Mir ist nicht langweilig geworden.."

  • "Hier, das ist ein kleines 'Trösterchen' für Sie..!"


Und steckte mir 5,- € zu. O.k., dafür wartet man ja gerne 10 Minuten, oder?

Kaum um die erste Ecke gebogen, regte sich bei Frau G. ein menschliches Bedürfnis.

  • "Oh je, ich muß mal Pippi...!"


Daraufhin überboten ihre Freundin und ich uns mit guten Vorschlägen: Rechts ran fahren? Einen Umweg durch den Wald? Umkehren? Einen Witz erzählen?

Letzterer war wohl das Dümmste, was man jemanden vorschlägt, der mit dem Schließmechanismus seiner Blase kämpft, oder? Kam auch nicht von mir. Nein, Frau G. wollte tapfer sein und bis Zuhause durchhalten. Nur - ich möge doch vielleicht etwas schneller fahren! Die folgenden Minuten möchte ich mal so beschreiben: ich entsprach voll dem landläufigen Klischee vom Taxifahrer: zu schnell, kein Limit beachtend und Vorfahrtsregelungen sehr flexibel auslegend. Dazu muß man aber sagen, daß es spät war, die meisten Menschen inclusive der Ordnungshüter entweder Zuhause, in der Kneipe oder im Polizeirevier saßen und ich, bei aller Eile, nicht in einen kriminellen Geschwindigkeitsbereich abdriftete.

Wir schafften es. Die beiden Damen bedankten sich mehrfach für meine Fahrweise und verschwanden wie durch Magie mit einem Mal aus meinem Blickfeld. Ob Frau G. es noch bis zur Keramikabteilung ihres Hauses geschafft hat oder die Fichten im Garten beglückte - wer will das wissen?

Kommentare

  1. Nette Stammkundschaft :D
    Aber ich wollte noch anmerken, dass es viele Leute gibt, bei denen die 10 oder 20 Cent alles andere als beleidigend gemeint sind. Viele haben ja auch keine Ahnung, was wir so an Trinkgeldern bekommen. Wozu bloggen wir schließlich? ;)
    Anmaßend finde ich es wie bei meinem Lieblingsbeispiel vor 2 Jahren: Der hat mir bei einer Kurzstrecke für 3,50 € tausendmal gedankt, dass ich ihn nicht wie die Kollegen abgewiesen hab und dass das nicht zu meinen Ungunsten sein würde, ob er meine Nummer haben könnte bla keks. Und dann meint er tatsächlich: "Machste Dreisiebzich!"
    Und mein Durchschnittsverdienst pro Kurzstrecke lag damals schon bei über 4 €, weil fast jeder auf 4 aufgerundet hat...

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  2. "Dreisiebzich!"? Unfassbar. Ich verstehe es bei älteren Leuten, die oft kein Gefühl mehr für Trinkgelder haben. Aber so was..---((!

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  3. Wärst du zu schnell gefahren, hätte sich das Problem der Dame auch schnell gelöst. :P

    Im Übrigen danke für das geänderte Layout. Es lässt sich besser lesen und kommentieren.

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