Durst am Morgen

Den Schlüssel hatte ich heute Morgen um 5.50 Uhr noch nicht wirklich in der Hand, da gab mir die Funkerin schon den ersten und einzigen Problemfall des heutigen Tages mit auf den Weg. Ein Kunde hatte angerufen und ein Taxi geordert, um damit erst zur Bank, anschließend zur Tankstelle und dann wieder nach Hause gefahren zu werden.

  • "..Kannst du das fahren, er ist offensichtlich betrunken..!?"


wurde ich gefragt. Natürlich habe ich ja gesagt, ansonsten wäre meine junge Kollegin S. die "Glückliche" gewesen, da sie außer mir die einzige Verfügbare war. Als einigermaßen erfahrener Nachtfahrer stellen für mich solche Typen eigentlich kein Problem dar.

Bestellt hatte er für 6.00 Uhr, um 5.59 Uhr (wie hatte ich eigentlich so schnell das Auto klar gemacht und die 1,5 km zu seinem Haus zurück gelegt???) klingelte ich bei ihm. Heraus kam ein Mann von Mitte 30, nicht ganz sicher auf den Füßen, auf mein Auto zu. Er steckte den Kopf herein und brüllte mir ein

  • "..Mooooiiiin...!"


entgegen. Dann plumpste er in den Sitz. Wie alle Stocktrunkenen starrte er mich erst mal an, bis ich die Stille unterbrach und ihn nach seinen Zielen fragte. So fuhren wir also zur Bank. Wie er es schaffte, die Tür mittels Karte zu öffnen - ich weiß es nicht. Jedenfalls verschwand er im Vorraum der Filiale und torkelte auf den Geldautomaten zu.

Ich ahnte, nein, ich WUSSTE, was nun kommen würde. Nach 3 Minuten riss er die Beifahrertür wieder auf.

  • "..Dddderr Automaatttt issst kaputttt...."

  • "..Ach was? Oder will er dir kein Geld geben?"

  • "..Nnnneiin, wirklich kaputtt..."

  • "..Soll ich mal nachsehen?"

  • "Wennn ddduuu willst, klarr..."


Ich ging mit hinein. Er hatte Recht. Der Automat war defekt. Er zeigte nur einen grauen Bildschirm und war auch nicht durch Trunkenbold´s Kundenkarte zu überreden, Geld auszuspucken.

  • "Ist das eine EC-Karte?" fragte ich

  • "Weißßß niccchh.. Kuck mal.."


Natürlich war´s keine. Nur eine Kundenkarte der Bank. Damit kamen wir also auch bei der Sparkasse gegenüber nicht weiter.

  • "Gut, mein Freund, dann ist unsere gemeinsame Fahrt hier zu Ende, wenn du kein Geld dabei hast."


Ich ließ mir seinen Personalausweis geben, schrieb einen sog. Kreditzettel aus, den er unterschreiben musste und bot ihm an, er könne den Ausweis in der Zentrale abholen, wenn er mit Geld vorbei käme. Er war einverstanden, aber...

  • "Ich musss aber wiederrrr nach Hause..! Ich kann nich´ gehen."


Klar, er wäre wahrscheinlich irgendwo hingefallen und liegen geblieben. Bei 2 Grad über Null nicht unbedingt gesundheitsfördernd.

  • "Steig´ein, dann unterschreibst du mir noch einen weiteren Zettel und bringst das Geld eben auch mit."


meinte ich. Wenn ich nicht so menschenfreundlich veranlagt wäre...--))

Das Ende der Geschichte? Er kam am Vormittag mit Geld (ohne Tipp, natürlich) vorbei und erhielt seinen Ausweis wieder. Menschen können mich doch noch überraschen. Wie schön!

So wie ein Kunde, der im Laufe des Vormittags zum S-Bahnhof wollte. Er kam in aller Ruhe aus seinem Haus und überraschte mich mit der Ankündigung, er müsse die nächste Bahn erreichen. Die nächste Bahn? Die fuhr in 7 Minuten, klärte ich ihn auf. Dann wieder 20 Minuten später.

  • "..Dann müssen wir uns eben ein wenig beeilen..!" meinte er und grinste.


WIR? Hatte er WIR gesagt? Wenn ich mir in den vergangen 6 Monaten etwas abgewöhnt habe, dann ist es, mich für Kunden, die es eilig haben, zu "zerreissen". Ich habe noch keinen Fall erlebt, in dem sich eine überaus flexibles Auslegen der StVO für mich am Ende ausgezahlt hätte. Und das meine ich wörtlich. Ich werde das ältere Ehepaar nie vergessen, die mich zuerst beschimpft hatten, weil ich (unverschuldet) zu spät kam und dann am Bahnhof mir doch glatt 20 Cent Trinkgeld gaben. Die hätte ich ihnen am liebsten auf den Bahnsteig hinterher geworfen.

Der heutige Kunde hat, um es kurz zu machen, seine Bahn noch erreicht. Aber ohne, daß ich wie ein Stier durch die Stadt gejagt bin.

Kommentare

  1. hi Marco,

    als Taxifahrer darfst du nie und nimmer Ausweis von Fahrgästen behalten..merkt dir das..oder Führerschein...

    grüss Bernard

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  2. Ja, das ist wie auch der Führerschein ein amltliches "Papier". Als Pfand deshalb verboten.
    Einfach nen Schuldschein schreiben, unterschreiben lassen und fertig. In der Hoffnung dass derjenige auch ehrlich ist und bezahlen kommt...

    Ansonsten ein toller Blog!

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  3. Jetzt, denke ich, wird´s Zeit, daß ich mich auch noch mal dazu äußere.

    Ich habe morgens um 6 Uhr weder einen Schuldschein zum unterschreiben dabei, noch eine Möglichkeit einen zu drucken. Wenn der Fahrgast mir freiwillig (!) seinen Ausweis aushändigt, mit der Zusage mit Geld zu kommen und ihn wieder abzuholen, dann werde ich mich nicht weigern ihn anzunehmen. Es hätte natürlich auch noch den Weg gegeben, die Polizei wegen 11,50 € zu holen. Aber bei einem Fahrgast, der a) uns schon bekannt ist und b) nur 1 km von der Firmenzentrale entfernt wohnt erschien mir das ein wenig unverhältnismäßig.

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