Selbstlose Schwester

Die selbstlosen Menschen, die ihr Leben in den Dienst Hilfsbedürftiger stellen, sterben nicht aus. Zum Glück. Eine dieser Selbstlosen habe ich heute Morgen kennen lernen dürfen.

Es war noch dunkel, als 2 ältere Damen ein Taxi in eines der Seniorenheime Reinbeks bestellten. Die beiden kamen langsam auf mein Auto zu, die Größere ließ die Kleinere vorne zusteigen und gab dabei Ratschläge:

  • "Schwester, steig´ du vorne ein. Aber sei vorsichtig. Du weißt ja, dein Arm.."


Die benannte liess sich langsam in den Sitze sinken, ich half beim Anschnallen.

  • "Danke, ich kann nicht zupacken, ich habe den Arm verletzt.."


Das gleich nochmals von hinten, wo nun die - offenbar gesunde - Schwester einstieg.

  • "Meine Schwester hat einen verletzten Arm, sie ist gestern gefallen. Bringen Sie uns bitte ins Krankenhaus."


Das mit dem Arm hätte ich gar nicht gesehen..--(( Wir fuhren vom Gelände, Richtung Krankenhaus, Notaufnahme.

  • "Schwester, halte den Arm ruhig. Du weißt ja, dein Arm ist verletzt!"


Wo war die versteckte Kamera?

  • "Meine Schwester ist gestürzt.."


Hatten wir schon.

  • "..und ich helfe ihr jetzt. Ich helfe ihr immer, so wie ich allen Menschen helfe."


Mir kamen die Tränen.

  • "Das letzte Mal, als ich jemanden ins Krankenhaus brachte, war es auch Februar."


Zu meinen Tränen kam nun ein Gähnen.

  • "Und diejenige ist nach 3 Wochen gestorben...!"


Wow. Das gab der verletzten Schwester sicher Auftrieb! Sie würde vor lauter Optimismus und Lebensfreude sicher gleich aufheulen!

  • "..Ach, wenn mir nur auch jemand so helfen würde, wenn ich es mal nötig haben sollte!?"


Sicher. Ganz bestimmt findet sich jemand. Menschen, die sich selbst loben haben meist viele Freunde.

Allerdings - als es dann ans Bezahlen des Taxifahrers ging, hörte die Nächstenliebe schlagartig auf. Na ja, alle haben ihre Grenzen, nicht wahr? Selbst die Selbstlosen.

Dennoch - die gesamte Szenerie und der Monolog hatten derart Komisches in mein Auto gebracht, daß ich bei der Weiterfahrt (ohne Hanni & Nanni) noch mehrfach lachen musste. Das Ende der Nächstenliebe hatte ich schon verziehen.

Kommentare

  1. Ich finde es immer mehr belustigend als berührend, wenn eine Frau ihrem Ehemann vor, während und nach der Taxifahrt ständig souffliert, was er zu tun oder zu sagen habe. Es ist dann oft nicht ganz klar, ob sie um eine objektiv bestehende Demenz weiß oder ob sie ihn generell für einen Deppen hält. :-)

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  2. @Bernd: Sie hält ihn für einen Deppen. Und er ist ja offenbar auch einer, sonst hätte er sie ja nicht geheiratet.

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  3. Jungs, es handelte sich hier um 2 Schwestern, nicht um ein Ehepaar..-)) Wobei der Umgang miteinander oft ähnlich ist.

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