Ultraschall

Ein interessanter Bestandteil unseres Job ist es doch, immer wieder auch verschiedene Nationalitäten zu befördern und zwangsläufig auch deren untereschiedliche "Kultur" kennen zu lernen. Natürlich im kleinen Rahmen, soviel Kultur passt schließlich auch nicht ins Taxi..--))

Auch wenn es für mich als Fahrer nicht unbedingt (monetär) lukrativ ist, unsere japanischen Fahrgäste quer durch die ganze Stadt - und anschließend vielleicht auch wieder zurück - zu fahren, so bin ich im Laufe der letzten Monate ein Freund ihrer Mentalität geworden.

Gut, sie kennen es nicht, Trinkgeld zu geben. Muß ich akzeptieren. Aber wie oft lässt ein Deutscher, den ich von der Tür abhole, dessen Tüten ich schleppe und einlade und mit dem ich auch ein nettes Gespräch führe, sich jeden Cent Wechselgeld zurück geben? Sehr oft, leider. Was die Japaner von den eben genannten aber unterscheidet ist, daß sie unglaublich angenehme Fahrgäste sind. Sehr ruhig, sehr gepflegt, manchmal auch nette Gesprächspartner, wenn die Sprachkenntnisse es zulassen. Mein Japanisch ist derzeit noch das, was man "rudimentär" nennt, aber es gibt ja auch noch Englisch...

Ganz besonders ins Herz geschlossen habe ich die japanischen Kinder! Nein, nicht weil ich eine besondere Schwäche für Kinder habe. Da ich selbst keine eigenen habe, fehlt mir ein wenig der "Zugang" zu den kleinen Menschen.

Aber die japanischen Kinder sind ausnahmslos gut erzogen!!! Und DAS ist bei, sagen wir, europäischen Kindern, selten, leider. Da gibt es kein Quäken, kein Jammern, kein "Ich-will-aber-die Puppe-haben..!!" und auch kein Treten in den Rücken des Fahrers. Sie steigen mit ein, fahren mit - und sind ruhig. Prima. Die mag ich.

Letzten Dienstag lernte ich allerdings auch die Grenzen der japanischen Erziehung kennen. Auch japanischen Mädchen können weinen und nerven!!!

Das Ehepaar F. holte ich im nahegelegenen Krankenhaus ab und sie hatten ein kleines Mädchen dabei. Zuerst verlief die Fahrt wie gewohnt - schweigsam. Nur die beiden Erwachsenen unterhielten sich untereinander. Als wir in Richtung Innenstadt kamen (für alle ortskundigen: ich fuhr über die A25/A1 und über das Kreuz Süd), wandte sich Frau F. immer öfter an mich:

  • "River Elbe..??"

  • "Ja, das ist die Elbe."

  • "Oooohhhh...."


Aha. Noch nie gesehen, wahrscheinlich war sie ganz "frisch" in Deutschland.

  • "Nicolai church??"

  • "Ja, richtig. Die Nicolai-Kirche."

  • "Ooooohhhh...!"


Vielleicht gibt´s in Japan keine Kirchen?

  • "St.Pauli Fussball Stadium?"

  • "Ja, das ist das Stadion (des zukünftigen 2. Liga Club´s St.Pauli..--))"

  • "Oooooohhhh..."


Fußballstadien sind wohl auch nicht so häufig in Japan.

Ich mußte sie dann doch fragen (auf Englisch):

  • "Sind sie das erste Mal in Hamburg?"


Ihr Mann lachte im Hintergrund laut auf.

  • "Nein, wir leben seit 1,5 Jahren hier."


Äähh... Ja. Dann war sie wohl seit 1,5 Jahren aus ihrer Siedlung nicht hinaus gekommen? Während ich noch darüber nachdachte, beschloß das kleine Mädchen, daß es nun genug hatte vom Auto fahren.

Sie fing an zu quäken, dann zu weinen und steigerte dabei immer mehr die Lautstärke. Papa versuchte, sie zu beruhigen. Vergebens. Kurz bevor ich auf die A23 abbiegen wollte, um die restlichen 12 km möglichst flott zurück zu legen, erreichte ihr Schreien den Ultraschall-Bereich..--((! Hätte ich nicht beide Hände für´s Fahren gebraucht, ich hätte mir die Ohren zu gehalten.

Wo waren die gut erzogenen japanischen Kinder?????

Kurz vor der Abfahrt fiel Papa das wohl letzte Mittel ein und spielte ihr Musik vor. Seltsame Auswahl, ein Mischung aus Heavy Metal und HipHop. Ein deutscher Vater hätte wohl den üblichen "Käpt´n Blaubär" ausgepackt und eine ausführliche Diskussion mit seinem Kind darüber begonnen, aber - es wirkte. Die Kleine beruhigte sich. Dafür spielten meine Nerven nun langsam nicht mehr mit. Erst diese Überschall-Hupe und nun dieser grausame Musik-Mix!!!

Letzten Endes erreichten wir relativ zügig die Wohnsiedlung und "Misses Ooohhhh" und Papa "Heavy-HipHop" nebst kleiner Hupe verließen das Auto.

Auf der Rückfahrt schaltete ich kein Radio ein...

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Kommentare

  1. Die Hupe hat erreicht, was sie wollte. Volle Aufmerksamkeit des Vaters bekommen. Ich nehme mal an die Taxifahrt ging nur eine 3/4 Stunde. Kinder sind acht Stunden mindestens täglich wach.... und wollen nie zu Bett...
    Dann lieber Hunde, nicht wahr?

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  2. Man kann Hunde und Kinder nicht miteinander vergleichen. Denn man schafft sich ja nicht Hunde STATT Kinder an. Und wer es doch tut, hat irgenwie ein Problem.... Die Aufmerksamkeit hatte das Mädchen uneingeschränkt von allen, keine Frage. Ich denke, es war einfach anstrengend und langweilig für die Kleine.

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  3. Joah, kann ich gut verstehen. Aber was mir bei Menschen aus dem asiatischen Raum generell auffällt: Sie sind höflich, gut integriert, arbeiten fleißig, ihre Kinder fallen durch gute schulische Leistungen auf und sind ebenso höflich wie die Großen. Auch in der Stadt hört man von Asiaten nie solche Hohlbratzenkommentare wie:"Ey, auf die Fresse oder was? Isch hol gleisch meine Brüder, alder!", einfach traumhaft.

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