Jeder Tag ein Tag zuviel?!

Es ist November. Das Wetter trüb und grau. So war´s heute den ganzen Tag. Mir macht das nichts aus. Ich bin unterwegs, lerne stündlich neue Menschen kennen, geniesse die bunte Pracht der Bäume und fühle mich wohl dabei.

Wenige Dinge gibt es, die mir die gute Stimmung verderben können. Und ich bin auch nicht dafür bekannt, nah am Wasser gebaut zu haben. Manchmal aber wird man einfach hinunter gezogen.

Wir haben einen Stammkundin, gut über 80 Winter alt, die im Betreuten Wohnen lebt. Sie lässt sich öfters vom Einkaufen abholen, da die Taschen dann doch etwas schwer sind, um sie den kleinen Berg hinauf zu tragen.

Heute stieg sie wieder mal bei mir ein und fing sofort an, vom trüben November zu reden. Und wie es ist, wenn man niemanden hat, man alleine ist und - wie sie - bald wohl in Krankenhaus muß. Dort gäbe es dann auch niemanden, der sich um sie kümmert. Keiner würde sie besuchen, die Familie hätte sich auseinander gelebt. Und das alles erzählte sie mir mit einer schon recht weinerlichen Stimme. Bei einer jüngeren Frau hätte ich die Augen verdreht und die Sekunden rückwärts gezählt, bis sie aussteigt. Aber diese netten alten Dame hat mich dann doch etwas berührt. Nein, ich schluckte noch nicht, aber sie trug ihre Geschichte derart traurig vor, daß ich nahe dran war.

Wie es denn Weihnachten im Seniorenheim sei, wollte ich wissen. Gemeinsamer Heiligabend? Nichts? Nein, keine gemeinsamer Abend, die meisten hätten Familie, sie aber nicht.

Nun war das nicht das erste Mal, daß sie mir traurige Geschichten erzählte. Aber dieses Mal war´s besonders, ganz ehrlich. Aber was sollte ich tun? Sie zu uns nach Hause einladen??

Natürlich hat sie das nicht erwartet, sie brauchte einfach nur jemanden, dem sie ihr Leid klagen konnte. Zum Schluß meinte sie dann: "Ich bin seit 13 Jahren hier und jeder Tag ist ein Tag zuviel..!"

Irgendwann fällt auch mir keine Antwort mehr ein.

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